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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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ordinären Worte gehört hatte, war er wortlos aufgestanden, hatte sich wortlos angezogen, war wortlos gegangen.
    Er war noch nie verheiratet gewesen, hatte noch nie längere Zeit mit einer Frau zusammengelebt, die Zeit raste inimmer schnellerem Galopp davon, er hatte die Vierzig überschritten, und die Chance, jemals seinen Traum von einer Familie erfüllt zu bekommen, rückte in immer weitere Ferne. Natürlich lag es hauptsächlich an ihm, doch was konnte er schon gegen seine Schüchternheit tun, gegen seine Unbeholfenheit, wenn er mit einer Frau wie Angela zusammen war? Selbst jetzt ärgerte ihn noch die taktlose Frage, ob sie mit Scherer etwas gehabt hätte. Sollte er jemals einen guten Eindruck bei ihr gemacht haben, dann war der spätestens mit dieser saudummen Frage dahin. Und außerdem, welche Frau würde schon einen lausigen Kleinstadtpolizisten mit immer wiederkehrenden Depressionen nehmen? Eine wie Angela Siebeck schon gar nicht!
    Warum war sie eigentlich noch hier? Hier gab es keinen Mann für sie, höchstens einen, und der war krank.
    Je länger er am Fenster stand, je intensiver seine Gedanken um Angela kreisten, desto trübseliger wurde seine Stimmung. Er war müde und konnte nicht schlafen, war allein, obgleich er nicht gerne allein war. Das Telefon auf dem Schränkchen neben dem Bett wurde fast nie benutzt, wen sollte er schon anrufen, er hatte nicht einmal mehr Verwandte. Seine Mutter war gestorben, kaum daß sie fünfzig war, nach einem Leben voller Demütigungen war ihr nicht einmal ein kurzer und schmerzloser Tod vergönnt gewesen. Der Krebs hatte sie von innen zerfressen, es war kein Sterben, sondern ein Krepieren. Sein Vater, ein brutaler Zyniker, hatte zeit seines Lebens Menschen nur benutzt und gequält. Kaum ein Tag, an dem er seine Frau nicht verprügelt hatte, und noch heute dachte Brackmann, meist in deprimierenden Momenten wie diesem, mit Grauen an seine Kindheit zurück, an die Hilflosigkeit, wenn sein großer, übermächtiger Vater sich an seiner verhärmten, körperlich und seelisch geschwächten Mutter verging. Zuletzt hatte sie seine Demütigungen und Schläge nur noch hingenommen,hatte nicht mehr geweint, nicht mehr gejammert, still alles ertragen. Aber auch sein Vater war inzwischen tot, ein Schlaganfall hatte seinem Leben ein rasches Ende bereitet, ein viel zu rasches, wie Brackmann fand.
    Die Ärzte, bei denen er seit Auftreten seiner Angstzustände in Behandlung gewesen war, hatten alle das gleiche gesagt – die eigentliche Ursache seiner Angst wären die unbewältigten Kindheitserlebnisse. Als der erste es ihm sagte, glaubte er es nicht, war er zornig wegen dieser schier hirnrissigen Diagnose. Beim zweiten Arzt fing er an zu zweifeln, dem dritten glaubte er dann endlich. Er reagiere einfach übersensibel auf äußere Einflüsse und Reize, und nur eine angemessene Therapie könne seine Angst beseitigen helfen. Doch in Waldstein gab es keinen Arzt, der eine solche Therapie durchführte, nicht einmal in Hof, und Nürnberg oder München waren weit. Also behalf sich Brackmann weiterhin mit Tabletten, in der Hoffnung, eines Tages würde ein Wunder geschehen und dieser Alptraum wie eine große, dicke, ihn ganz und gar umschließende Glaskugel zerbersten.
    Schmidt drehte die Zehn-Uhr-Runde, einen Arm lässig aufgestützt, seine Finger umfaßten die Dachreling. Er fuhr fast Schrittempo, das linke Rücklicht brannte nicht.
    Brackmann sah dem Wagen nach, bis er an der Bücherei haltmachte. Er stellte sich aufrecht hin, schloß die Augen, spürte die Wirkung des Alkohols, nahm einen weiteren Schluck aus der Cognacflasche. Er brauchte seinen Schlaf, er hatte seit bald zwanzig Stunden nicht geschlafen; wenn er jetzt nicht schlief, würde der folgende Tag zu einem Horrortrip werden.
    Ab morgen würde er sich näher mit den Vandenbergs und dem ominösen Brief von Maria Olsen beschäftigen. Hoffentlich ging es ihm morgen gut, hoffentlich konnte er schlafen.
    Er nahm einen letzten Zug an der Zigarette, bevor er sie aus dem Fenster schnippte. Er wollte einen weiteren Versuch wagen, legte sich aufs Bett, den Blick zur Decke gerichtet, wo sich die Schatten der von der Straßenlaterne angeleuchteten Äste der alten Eiche von gegenüber in bizarren Formen abzeichneten. Je länger er auf dieses scherenschnittartige Gebilde blickte, den Schattenlichtern zusah, wie sie sich kaum merklich bewegten, miteinander spielten, desto schwerer wurden seine Lider, bis sie sich schließlich über die Augen

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