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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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herumzureden, Sie wissen selbst, daß ich kein Freund langer Ausführungen bin. Wir kennen uns auch lange genug, um in diesem Kreis über Vertrauliches zu sprechen. Nun denn, um es kurz zu machen, Andy und Caroline haben mich vorhin wegen eines Problems aufgesucht, das sie drückt. Wegen etwas, das sie selbst im Moment überfordert,und«, er holte tief Luft, runzelte die Stirn, »ich kann sie sogar verstehen. Ich möchte Sie jedoch bitten«, sagte er mit Blick auf die Oberts und die Merkels, »sich vielleicht in die Lage Ihrer Kinder hineinzuversetzen.«
    Frau Merkel wurde immer ungeduldiger. »Nun schießen Sie schon los! Das ist ja richtig spannend!«
    »Caroline ist schwanger.«
    Grabesstille. Frau Merkel stöhnte gequält auf. Dann, nach der Ewigkeit von fünf Sekunden, fragte Merkel: »Stimmt das?« Seine Stimme klang gefährlich ruhig; er wirkte wie ein Vulkan, der vor dem großen Ausbruch erst ein paar scheinbar harmlose Rauchwolken ausstößt, nur die geballten der Fäuste verriet seine Erregung.
    »Ja«, erwiderte Andy kaum hörbar.
    Merkel, immer noch ruhig: »Caroline, stimmt das wirklich?«
    Caroline zitterte. Ihre Hände zitterten, ihr Mund zitterte, ihre Nasenflügel zitterten. Tränen. Ihre Furcht war doch begründet gewesen, sie hatte es gewußt! Ihr noch junger Menschenverstand hatte ihr schon vorher gesagt, es würde nicht gutgehen. Und da war auf einmal die Unfähigkeit, klar zu denken.
    Obert stand auf und ging zu Caroline, setzte sich auf die Lehne neben sie, nahm ihre kalten Hände. »Komm, Kleines, beruhige dich wieder. Keine Panik, wir kriegen das schon hin. Ich wollte zwar immer mal Großvater werden, aber daß das so schnell gehen würde . . .«
    Merkel, dessen cholerisches Temperament dann und wann wie ein Unwetter hervorbrach, explodierte: »Verdammt noch mal, bist du dir überhaupt im klaren, was hier passiert ist?! Deine Tochter bekommt ein Kind, und mein Sohn hat es ihr gemacht! Kinder sind sie noch, kaum aus den Windeln raus, noch die Sandkörner im Arsch, aber schwanger! Ficken können sie, die gottverdammte Brut, aber wenn’spassiert ist, sich in der Kirche verkriechen! Verdammt noch mal, wo bin ich hier eigentlich?!«
    »Du meine Güte, jetzt mach doch um Himmels willen keine Staatstragödie daraus! Es ist passiert und läßt sich nicht mehr ändern. Laß uns einfach das Beste daraus machen«, sagte Obert.
    »Das Beste?! Was ist denn bitteschön das Beste? Du hast wohl nicht kapiert, was los ist? Hier geht es, zum Teufel noch mal, um mehr als nur die Verwaltung von ein paar Häusern! Du scheinst dir auch nicht im klaren zu sein, in was für einem Kaff wir leben! Du kennst doch die Leute hier! Die Pickard und die Fleischer und wie sie nicht alle heißen! Für sie ist Waldstein der Nabel der Welt. Sie werden sich die Mäuler zerreißen . . . Dir, dem großen, feinen Herrn Anwalt, macht das ja offensichtlich nichts aus! Du stehst ja über den Dingen! Aber mir macht es etwas aus, eine ganze Menge sogar, falls dich das interessiert!«
    »Du redest immer nur von uns. Dabei sind es doch in allererster Linie Andy und Caroline, die damit fertig werden müssen. Und vom Rumbrüllen wird die Angelegenheit auch nicht aus der Welt geschafft.«
    Merkels Augen funkelten angriffslustig. »Na und, es ist verdammt noch mal mein Recht, mich aufzuregen, vor allem, wenn es meinen Sohn betrifft! Und ich will und werde nicht zulassen, daß er sein Leben durch einen dummen Fehltritt versaut.«
    Jetzt mischte Engler sich ein. »Meine Herren, so kommen wir nicht weiter! Lassen Sie uns doch bitte die Ruhe bewahren.«
    Merkel lachte gallebitter auf. »So, beruhigen soll ich mich, dabei habe ich mich noch nicht mal richtig aufgeregt!« Er ging auf seinen Sohn zu, blieb direkt vor ihm stehen. »Wie war es, Andy?« Er packte ihn an den Schultern, zog ihn hoch, schüttelte ihn. »Los, sag, wie es war!«
    »Wie soll es gewesen sein? Soll ich dir erzählen, wie man ein Kind macht?«
    Der Handrücken seines Vaters traf ihn unvermittelt und hart im Gesicht. »So nicht, mein Sohn, so nicht! Ich –«
    »Herr Merkel! Ich darf doch sehr bitten!«
    Merkel ließ Andy los, stellte sich ans Fenster, starrte in die Dunkelheit hinaus. Seine Kiefer mahlten aufeinander, er hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben.
    »Danke«, sagte Obert leise, und an Caroline gewandt: »Was sagst du überhaupt dazu? Von dir haben wir noch gar nichts gehört.«
    »Was soll ich schon sagen?« schluchzte sie. »Ist doch egal, was ich sage!

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