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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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wirkten unsicher, hölzern, nervös. Sie verzog keine Miene, als sie Brackmann gegenüberstand.
    »Wo gehen wir hin?« fragte sie teilnahmslos.
    »Ich schlage vor, in Ihren Keller. Der dürfte im Moment einer der sichersten Plätze in dieser Stadt sein.«
    »In den Keller?« Sie lachte kurz und schrill auf.
    »Ja, sicher.«
    »Mit Ihnen allein . . .?«
    »Ich finde, es ist jetzt nicht der Zeitpunkt und Ort, das auszudiskutieren! Ich habe nämlich Angst, und das ist doch ein Zustand, den Sie kennen, oder?« Er biß sich auf die Unterlippe. »Es tut mir leid, ich wollte das eben nicht sagen. Bitte glauben Sie mir.«
    Sie sah ihn nur an, ging vor ihm zur Treppe, die in den Keller führte, die Haustür fiel ins Schloß. Sie waren noch nicht ganz unten, als um 1.09 Uhr die Stromversorgung ausfiel. Brackmann machte kehrt, rannte zum Streifenwagen, holte aus dem Handschuhfach die große Stabtaschenlampe. Erste, schwere Regentropfen platschten auf die ausgedörrte Erde. Er leuchtete den Weg in den Keller aus. Um 1.10 Uhr nahmen sie Platz auf einem alten ausrangierten Sofa. Hier unten war die Bedrohung nicht mehr so greifbar, hörte man nur, wie der Wind sich die Stadt als Spielplatz ausgesucht hatte.
    Und in einer Scheune auf einem verlassenen Bauernhof außerhalb von Waldstein trieb ein Spektakel gerade seinem Höhepunkt zu.
    Sie standen sich gegenüber, jeder in einer Ecke, mit aller Kraft von ihren Besitzern festgehalten. Erst wenn der Schiedsrichter das Zeichen gab, würden sie sie loslassen. Sie knurrten laut und drohend, weißer Schaum tropfte seitlich aus ihren verzerrten Mäulern in den mit Sägespänen bedeckten Boden. Die
Convention,
das Spektakel der Kämpfe bis in den frühen Morgen, war seit drei Stunden in vollem Gange.
    Gierige Augen, feurige Blicke, gerötete Gesichter, alkoholvernebelt, aufgeputscht, von der Menge mitgepeitscht, warteten voll Spannung auf das Zeichen. Die Wetten waren abgegeben. Natürlich war Blümchen haushoher Favorit, denn Blümchen war ein erfahrener Pit Bull, ein
Master Champion,
der seine letzten fünf Kämpfe klar gewonnen hatte. Und auch diesen Kampf würde er zweifellos gewinnen. Er stand in der rechten Ecke, blutunterlaufene Augen, auf die Hinterbeine abgestützt, die Vorderpfoten in der Luft, die Zähne gefletscht. Blümchen war nicht groß, eher eine Idee kleiner als durchschnittliche Pit Bulls, doch er war wendig und schneller als die meisten, vor allem aber war er angriffslustiger, zäher und mutiger als die, mit denen er es in den letzten Wochen und Monaten zu tun gehabt hatte.
    Der andere war ein Nobody, den keiner kannte außer denen, die ihn hergebracht hatten. Sie hatten ihn
Rote Sonne
genannt, obgleich er weiß mit schwarzen Tupfern war. Seine Vorderbeine waren weiß, die Hinterbeine schwarz.
    Einige wenige Sekunden lang trat Stille in der Scheune ein. Der Schiedsrichter hob die Hand. Hektische Schlucke aus Schnapsflaschen und Bierdosen, vereinzelt wurde Kokain geschnupft oder Gras geraucht. Die Schweißausdünstungen der Anwesenden vermischten sich mit dem Geruch der Hunde, dem grauen Rauch der Zigaretten, dem Blut, dem holzigen Duft der Sägespäne. In einer Ecke stand ein riesiger Suppentopf, aus dem Dampf aufstieg.
    Alle standen sie um die Arena herum, ihre ruhelosen Blicke folgten selbst der geringsten Bewegung der Hunde und des Schiedsrichters. Ein paar Betrunkene bekamen von all dem nichts mehr mit, hielten sich nur noch an den schnell hingezimmerten Holzbrettern fest, die die Zuschauer von den Hunden trennten, die Augen stumpf und leer, vollgepumpt mit billigem Fusel, der ihre Bewegungen langsam und träge machte.
    Scherer fühlte sich nicht gut, ihm war schwindlig und übel, er hatte sich in den letzten zwei Stunden dreimal übergeben. Ihm war übel von der Spritze, dem Bier, dem beißenden Gestank in der Scheune. Reuter hatte ihm geraten, nach Hause zu gehen, sich ins Bett zu legen, aber er konnte diesen Rat nicht befolgen, da er als Initiator die Verantwortung für diese Veranstaltung trug.
    Die Hunde, die bis jetzt gekämpft hatten, hatten sich nichts geschenkt; sie hatten sich zerfleischt, ihre Stärke bewiesen, selbst wenn sie verloren hatten. Manch ein Sieger sah nach dem Kampf schlimmer aus als der Verlierer. An einem dünnen Faden Fleisch hängende Ohren, blutige, zerbissene Schnauzen, herabhängende Lefzen, unnatürlich abgewinkelte Beine gehörten noch zu den harmloseren Verletzungen.
    Schlimmer waren die dran, denen nach einem Kampf ein Auge fehlte,

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