Der Finger Gottes
doch der lieben Sarah mal eine Freude und tu das mit ihr, wonach sie sich bestimmt schon so lange sehnt. Und da ich gerade Lust nach einem ordentlichen Fick verspüre, sollte dem doch nichts im Weg stehen. Oder?«
Er hatte aufreizend lässig dagestanden, ein halbvolles Glas Whisky in der Hand, an den Türpfosten gelehnt, die Beine übereinander, und sie angegrinst, wie nur Jonas grinsen konnte.
»So, wenn jeder das weiß, wird es wohl stimmen. Aber duwirst bestimmt der letzte sein, der mich . . . fickt!« hatte sie geantwortet, so ruhig wie möglich, die Haltung gestreckt, ihn fest anblickend, um ihm nicht die Angst, die Scham, die Schmach zu zeigen, die sie empfand. Dann fügte sie hinzu: »Und wenn du der einzige Mann auf dieser großen weiten Welt wärst, wenn man dich mir nackt auf den Bauch binden würde, dein verdammter kleiner Schwanz würde nie zwischen meine Beine kommen. Du kotzt mich nämlich an!«
Er hatte den letzten Schluck aus seinem Glas genommen und gesagt: »Es war ja nur ein gutgemeinter Vorschlag. Du siehst nämlich aus, als würdest du allmählich austrocknen, wenn du verstehst, was ich meine. Cheers! Aber solltest du trotzdem mal das Bedürfnis nach einem guten . . . du weißt, wo du mich findest.«
Danach hatte er sich umgedreht und das Zimmer verlassen. Sarah hatte eine ganze Weile regungslos dagestanden, dann war sie weinend aufs Bett gesunken und hatte eine schlaflose Nacht verbracht. Eine von vielen.
Sarah wollte nicht länger darüber nachdenken, sie drückte ihre Zigarette aus, zündete sich aber sofort eine neue an und lief zum Fenster. Sie zog den Vorhang zur Seite, schaute nach draußen. Blätter und kleine Büsche flogen durch die Nacht, wie angetrieben von einem riesigen Ventilator. Sie prüfte, ob die beiden Fenster gut verschlossen waren. Ein Blick zur Uhr, 1.08 Uhr.
Plötzlich entdeckte sie eine fremdartige Erscheinung, so irreal, daß sie sie im ersten Moment nicht richtig einzuordnen vermochte. Doch je länger sie hinsah, je klarer die Umrisse wurden, desto deutlicher begriff sie. Was sie sah, war so ungewöhnlich, so . . . furchteinflößend! Riesige, sich drehende Schläuche bewegten sich in undefinierbarer Geschwindigkeit und mit Höllenlärm auf Waldstein zu!
Angst! Was sollte sie tun? Die anderen warnen? Oder sich wieder ins Bett legen und hoffen, ihr und Josephine würdenichts geschehen? Im Bruchteil einer Sekunde beschloß sie, im Keller Zuflucht zu suchen, und gerade als sie sich umdrehen wollte, um Josephine aus dem Bett zu nehmen, hörte sie noch das Zischen, das die Stromversorgung lahmlegte, das Licht verlöschen ließ. Sie steckte die Packung Zigaretten ein, nahm die schlafende Josephine auf den Arm, hielt sie fest an sich gepreßt, leuchtete mit dem Feuerzeug den Weg aus, lief lautlos durch das große Haus, über tiefe, weiche Teppiche hinunter in den Keller, überzeugt, dort am sichersten aufgehoben zu sein. Sie war allein mit Josephine, das Haus schlief.
Der Tornado hatte die Stadtgrenze erreicht.
Kapitel 19
Pfarrer Engler lag wach in seinem Bett und starrte an die schwarze Decke; er konnte nicht einschlafen. Und das hatte seinen Grund. Maria Olsen hatte diesen Grund angesprochen, die Merkel ebenfalls, und es gab bestimmt noch den einen oder anderen, der ihn unter Druck setzen konnte. Über viele, zu viele Jahre hinweg hatte er die unangenehmen Seiten seines Lebens einfach verdrängt; er hatte geglaubt, durch besondere Anstrengungen als Priester die Schattenseiten seines Daseins kompensieren zu können. Überzeugt war er davon nicht, er hoffte nur, Gott würde die guten Taten gegen die Sünden aufwiegen.
Doch seit heute nachmittag begann die Vergangenheit ihn mit rasantem Spurt einzuholen, begann das Verdrängte ihn zu bedrängen. Und nun, wahrscheinlich zu spät, stellte er sich zum ersten Mal ernsthaft die Frage, ob er denn ein guter Pfarrer sei oder je gewesen war, ob er das Vertrauen der ihm anvertrauten »Schäfchen« überhaupt verdiene, ob er ein guter Christ sei und damit ein Vorbild für die Gemeinde. Er hatte sich versündigt, nicht einmal, vieleMale! Welche dieser Sünden in den Augen Gottes dabei am schwersten wog, vermochte er nicht zu sagen, wahrscheinlich war jede von ihnen auf ihre Art verwerflich. Warum mußte ihn das Gewissen aber ausgerechnet heute so sehr quälen? War es die Angst, daß publik werden konnte, was für einen Lebenswandel er führte? Oder war es
nur
Maria Olsen und ihr Brief?
Hätte sie ihn doch nur niemals
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