Der Finger Gottes
das andere vom Beißen oder von den Krallen des Gegners fast blind, in deren Brustkorb tiefe Wunden klafften, die inneren Organe zerfetzt.
Ihre wilden Blicke, ihr haßerfülltes Knurren sagten nur eines – töten oder getötet werden! Sie kannten keine Angst, waren keine Feiglinge, keine Memmen, die beim Anblick eines Gegners den Schwanz einzogen und abhauten. Sie waren beherzte, verwegene Kämpfer. Scherer wünschte sich oft, wie einer dieser Hunde zu sein, und es gab sogar Tage, da fühlte er sich wie einer von ihnen. An Tagen, andenen er mit ihnen trainierte, sie über die Felder hetzte, über mannshohe Barrikaden springen oder stundenlang auf dem Laufband rennen ließ, sie trieb, bis sie nur noch erschöpft hechelten. Es gab nichts, was Scherer so sehr liebte wie seine Pit Bulls. Er hätte auf alles im Leben verzichtet, nur niemals auf sie.
Die Wetten sprachen eindeutig für
Blümchen,
auch wenn einige Verwegene auf
Rote Sonne
gesetzt hatten. Sollte, was beinahe unwahrscheinlich schien,
Rote Sonne
tatsächlich gewinnen, wäre die Gewinnquote außerordentlich hoch, nämlich 20 : 1, bei einem Sieg von
Blümchen
käme gerade etwas mehr als der Einsatz heraus.
Der Schiedsrichter ließ sich Zeit. Er residierte auf einem hohen Stuhl, eine Zigarette im Mundwinkel, das unrasierte Gesicht von dunklen Bartstoppeln übersät, eine Baseballmütze ins Gesicht gezogen; er genoß die Anspannung, jeder wartete auf sein Zeichen, alles hing von ihm ab, für einen kurzen Moment waren nicht die Hunde, sondern er selbst der Mittelpunkt. Die Hunde wurden zusehends unruhiger, die beiden Männer hatten immer mehr Mühe, sie festzuhalten und schickten auffordernde, ungeduldige Blicke nach oben zum Schiedsrichter. Vereinzelte Pfiffe hallten durch die Scheune, durchschnitten die schwere, geladene Luft.
Die Hand des Schiedsrichters fiel wie ein Beil herab. »Laßt eure Hunde los!« Im Bruchteil einer Sekunde hatten sie sich ineinander verkeilt, fast lautlos, ohne Bellen, nur kehliges Knurren, eine Orgie aus Kratzen, Beißen, Blut, Haß und Tötenwollen.
Die Menge schrie und johlte. Einige hielten ihre Hüte in Händen, feuerten sie an, wie sie sich am Boden wälzten,
Blümchen,
der Master Champ, und
Rote Sonne,
der seinen ersten großen Kampf bestritt, wie sie nach einer Möglichkeit suchten, den alles entscheidenden Biß anzubringen.
Blümchen
war stark, so stark ,wie man es von ihm behauptethatte. Er war stärker als alle Hunde, die bis jetzt an diesem Abend gekämpft hatten – aber er war nicht stark genug.
Rote Sonne
wich jedesmal geschickt den Attacken seines Gegners aus und brachte selbst immer wieder gefährliche Bisse an.
»Los, du gottverdammter Hurensohn, beiß diesem Höllenhund die gottverdammten Eier ab! Kastrier ihn!«
»Ich hab mein ganzes Scheißgeld auf dich gesetzt! Mach ihn alle!«
Sie kämpften beinahe eine Stunde, es war der mit Abstand längste Kampf in dieser Nacht.
Rote Sonne
hatte sich am Hals von
Blümchen
festgebissen, riß immer wieder daran, bis
Blümchen
zu Boden sank, kraftlos, erschöpft, Schnauze und Hals eine große, blutige, schleimige, unförmige Masse, Ober- und Unterkiefer gebrochen, da, wo noch vor kurzer Zeit die Hoden waren, eine klaffende, tiefe, stark blutende Wunde, weißer Schaum vermischte sich mit dem Blut, das aus unzähligen anderen Wunden floß. Er reagierte nicht mehr auf die Aufforderung seines Herrn zum
Scratch
, verweigerte einfach den Befehl, es diesem verdammten Hurensohn zu zeigen. Sein Herr ging zu ihm, umarmte ihn, als könnte er ihm dadurch noch einmal neue Kraft einhauchen. Aber alles, was zurückkam, war ein trauriger, flehender, hilfesuchender Blick aus roten Augen.
Rote Sonne
stand noch. Auch er blutete aus vielen Wunden, aber seine Beine trugen ihn noch, er würde überleben. Erschöpft kroch er hinüber zu seinem Herrn, der in der Ecke kniete, mit glänzendem Blick, Tränen der Rührung, Stolz. Der riesige Mann mit dem T-Shirt der Hells Angels drückte seinen Hund an sich, weinte hemmungslos, dachte vielleicht schon an den nächsten Fight, daran, daß
Rote Sonne
vielleicht auch bald ein Master Champ werden könnte. Er streichelte ihm über die blutige Schnauze, küßte ihn zwischen die Augen.
Währenddessen kniete der andere neben
Blümchen
, dem ehemaligen Master Champ, dem, wie es geheißen hatte, Unbesiegbaren. Streichelte ihm übers blutige, schaumige, schweißüberströmte Fell. Der Hund nahm es nicht mehr wahr, es schien, als wollte er nur noch sterben. Der
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