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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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zum Großangriff geblasen. Von mir aus soll dieses ganze gottverdammte Haus mit allem, was drin ist, wegfliegen!«
    »Du hast den Sturm kommen sehen?«
    »Sturm!« sagte Csilla lachend. »Das ist mehr als ein Sturm, das ist ein Tornado!« Sie machte eine Pause, allmählichgewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Sie atmete ein paarmal tief durch, hielt kurz inne, sagte dann: »Das ist ein wunderschöner, wilder Tornado! So richtig geil . . . Aber wieso sind die andern nicht hier?« fragte sie mißtrauisch. »Ihr seid doch sonst immer zusammen.«
    »Wie kommst du denn darauf? Wir und immer zusammen! Genügt es dir, wenn ich sage, daß ich kein Verlangen hatte, sie zu wecken?«
    »Und warum nicht? Ich meine, warum . . .«
    »Ich habe auch meine Gründe. Vielleicht nicht die gleichen wie du, aber . . . Du hättest sie auch wecken können. Warum hast du’s nicht getan?«
    »Verdammt bescheuerte Frage, findest du nicht?! Sei du mal Monat um Monat, Jahr um Jahr in einem Zimmer eingesperrt, das allmählich immer kleiner wird. Sie sollen von mir aus alle verrotten! Du kannst es ihnen nachher ruhig brühwarm erzählen, ist ja sowieso egal!«
    »Warum sollte ich?«
    »Warum nicht?«
    »Willst du drüber reden?«
    »Reden?« fragte sie bitter. »Nein, ich rede mit niemandem mehr in diesem Haus! Ihr steckt doch alle unter einer Decke!« Sarah nahm einen tiefen Zug an ihrer Zigarette, behielt den Rauch lange in sich, bevor sie ihn wieder ausstieß.
    »Ich verstehe deine Bitterkeit . . .«
    »Einen Scheißdreck tust du! Du hast doch überhaupt keinen Schimmer, was Bitterkeit ist!«
    »Hör zu, du bekommst vielleicht nicht so bald wieder die Gelegenheit, mit jemandem zu reden. Ich gebe dir mein Ehrenwort, daß niemand auch nur ein Sterbenswörtchen von unserem Gespräch erfährt.«
    »Ehrenwort, Ehrenwort! Ich habe schon so oft ein Ehrenwort bekommen! Außerdem ist es eine viel zu lange Geschichte, die dich sicher nicht interessiert. Nachher wirst dunur denken, die liebe Csilla spinnt doch tatsächlich, und sie gehört ja wirklich eingesperrt oder in die Klapsmühle. Nein, ich schätze, wir lassen’s lieber.«
    »Csilla, ich denke weder das eine noch das andere! Vielleicht änderst du deine Meinung, wenn ich dir sage, daß Josephine gerade vorhin den Wunsch geäußert hat, dich einmal zu besuchen.«
    »Josephine? Kinder – sie sind noch so herrlich unverdorben. Na ja, ich glaube es sogar. Kinder sind ehrlicher als Erwachsene. Sie haben keine Vorurteile.«
    »Ich habe auch keine.«
    Csilla zögerte, sie ließ sich mit der Antwort Zeit. »Und wirklich kein Wort? Du schwörst es?«
    »Ich schwöre es! Was glaubst du denn, warum ich allein hier unten sitze? Ich habe selber meine Probleme mit ihnen!«
    »Das wußte ich nicht. Na ja, andererseits, wundern würde es mich ehrlich gesagt nicht. Du bist schließlich keine echte Vandenberg.«
    »Du hast es erfaßt. Hier in diesem Haus gibt es nur einen kleinen Kreis von Personen, die über Wichtiges miteinander reden. Ich gehöre nicht zu diesem Kreis. Als ich mich nach dir erkundigt habe, ließen sie mich abblitzen. Es ginge mich nichts an, was mit dir ist.«
    Sarah trat die Zigarette mit der Schuhspitze aus, sie sah nicht das leichte Lächeln, das über Csillas Gesicht huschte.
    »Hier unten gibt’s doch irgendwo Whisky, wenn ich mich recht erinnere. Csilla, die Säuferin, kann nämlich ohne dieses verdammte Zeugs nicht mehr leben. Aber auch daran ist nur diese verfluchte Saubande schuld!«
    »Warte, ich hole dir eine Flasche.« Sarah erhob sich, ließ das Feuerzeug kurz aufleuchten, Josephine atmete ruhig und gleichmäßig. Die Tür zum Weinkeller war unverschlossen. Vorsichtig tastete sie sich voran. Dieser Teil des Hauses warihr relativ unbekannt, da er meist nur von den Dienstboten betreten wurde. Nur einmal war sie hier gewesen, um sich eine Flasche Rotwein zu holen, damit sie nach einem heftigen Streit, bei dem Martin sie wieder einmal geschlagen hatte, besser einschlafen konnte. Die drei Regale an den Wänden und die beiden in der Mitte des Raumes reichten bis unter die Decke. Hier lagerten die alkoholischen Getränke, Wein, Bier, Whisky, Bourbon, Cognac, Champagner und vieles mehr. Sarah ließ noch einmal das Feuerzeug aufflammen, bis sie das Regal mit den hochprozentigen Sachen gefunden hatte. Whisky. Sie nahm eine Flasche, und mit der gleichen Geräuschlosigkeit, mit der sie den Raum betreten hatte, verließ sie ihn auch wieder. Ihre Augen hatten sich mittlerweile an die

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