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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Dunkelheit gewöhnt, sie vermochte sogar vereinzelte Umrisse wahrzunehmen.
    »Danke!« sagte Csilla, als Sarah ihr die Flasche reichte, sie schraubte den Verschluß ab, setzte die Flasche an, trank ein paar Schluck. Sie schüttelte sich kurz, sagte: »Dieses verdammte Scheißzeug wird mich noch mal ruinieren. Aber im Prinzip ist es egal, wie ich krepiere, je schneller, desto besser.«
    Sie hielt die Flasche fest umklammert in der Hand. Josephine murmelte ein paar unverständliche Worte im Schlaf, dann lachte sie. Csilla nahm einen weiteren Schluck, stellte die Flasche neben sich. Sie lehnte sich wieder an die harte, kalte Kellerwand und atmete hörbar ein und wieder aus.
    »Und du willst es wirklich hören?« fragte sie nach einer Weile mit jetzt ruhigerer Stimme.
    »Sicher.«
    »Ich weiß zwar nicht, warum ich es tue, denn ich hatte mir geschworen, mit niemandem in diesem Haus mehr darüber zu sprechen, aber gut, wenn du mir versprichst . . . Aber es wird ein Schnelldurchgang.«
    Sie nahm die Flasche wieder hoch, trank, klemmte dieFlasche zwischen die Beine, wischte sich über den Mund, begann: »Es hat alles vor sieben Jahren angefangen, als sie mich nach München auf die Uni schickten. Ich war so froh, endlich frei zu sein, denn irgendwie haben diese Familie und ich nie richtig zusammengepaßt. In München hatte ich meine eigene kleine Wohnung, ich kam finanziell ganz gut über die Runden, mir ging’s ehrlich gesagt saugut. Ich habe nicht lange gebraucht, mir einen kleinen Freundeskreis aufzubauen, und wenn es sich irgendwie vermeiden ließ, fuhr ich übers Wochenende nicht nach Hause. Ich haßte nämlich jedes verdammte Wochenende, das ich hier verbringen mußte! Diese Atmosphäre, diese Kälte! Jonas und Martin, mir kam es immer so vor, als versuchte einer den andern zu übertreffen, was Gemeinheiten und Erfolg angeht. Und mein Vater und meine Mutter sind dabei auf der Strecke geblieben. So blöd sich das auch anhören mag, aber ich glaube, ihnen beiden kann ich die wenigsten Vorwürfe machen.« Sie hielt erneut inne, nahm einen Schluck aus der Flasche. »Aber sie haben mich trotzdem im Stich gelassen . . . Hast du noch eine Zigarette für mich?« Sarah gab ihr wortlos eine, Csilla nahm zwei tiefe Züge, um dann fortzufahren: »Weißt du, was Liebe ist? Ich meine, so richtige, tiefe, große Liebe? Verdammt, ich weiß es! Ich weiß es so gut! Weißt du, wie das ist, wenn man einen Menschen hat, mit dem man den Rest seines Lebens verbringen möchte? Ich habe so jemanden gehabt. Wir wollten heiraten, und zwar so schnell wie möglich. Aber die wollten es nicht! Diese elenden Schweine! Sie haben gemeint, er würde nicht zu mir passen, ich wäre noch zu jung für ein Kind! Sie haben tatsächlich gesagt, ich wäre zu jung, ein Kind zu bekommen! Dabei war ich zwanzig! Zwanzig und zu jung für ein Kind! Daß ich nicht lache! Und außerdem ziemte es sich angeblich nicht, einen dahergelaufenen, besitzlosen Kerl zu heiraten. Angeblich war Alexander nichtgut genug für mich. Er war zu arm, sein gesellschaftlicher Stand unserem nicht angemessen, ach, ich weiß nicht mal mehr, wie viele Argumente sie mir auftischten. So, jetzt weißt du’s.« Sie inhalierte, stieß den Rauch aus.
    »Ich verstehe nicht ganz . . .«
    »Was gibt’s da nicht zu verstehen?!«
    »Na ja, ich wußte zum Beispiel nicht, daß du schwanger warst.«
    Csilla lachte auf. »Oh, sie haben es dir verschwiegen? Dann wissen es wohl nur ein paar ganz wenige Auserwählte! Und ich hätte schwören können, daß du dazugehörst.«
    »Was ist mit dem Baby geschehen? Ich habe hier nie eines gesehen.«
    »Ich habe es zur Welt gebracht, und zwar genau so, wie es im heiligen Buch, genannt Bibel, beschrieben ist – unter Schmerzen, unter unsäglichen Schmerzen habe ich es zur Welt gebracht.« Sie machte eine Pause, trank, die Flasche war bereits zu einem Viertel geleert, fuhr dann fort, hart und bitter, voller Haß: »Sie haben es mir nicht einmal auf den Bauch gelegt, ich durfte mein eigenes Baby, mein eigenes Fleisch und Blut, nicht einmal spüren, sie haben es mir einfach weggenommen und irgend jemandem gegeben, der geil drauf war, ein frisches, unverbrauchtes Baby zu bekommen, ohne die Schmerzen leiden zu müssen, die ich durchgemacht habe!« Sie stockte, kämpfte mit den Tränen, bat Sarah um ein Taschentuch, putzte sich geräuschvoll die Nase, ohne daß Josephine davon aufwachte, sagte dann: »Entschuldige, aber Alkohol läßt mich schnell sentimental werden.

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