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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Nürnberg, in Frankfurt oder Waldstein geschieht – Mord bleibt Mord, und daran werden auch Sie mit Ihren Sprüchen nichts ändern! Alexander Höllerich war ein junger Bursche, dem das Leben und die Zukunftnoch offenstanden!« Er hob den Kopf, verdrehte die Augen, sagte: »O mein Gott, sind Sie sich eigentlich über Ihre eigene Einstellung in dieser Angelegenheit im klaren? Auf welcher Seite stehen Sie? Auf der des Gesetzes, oder verkriechen Sie sich lieber hinter irgendwelchen mittelalterlichen Kirchenvorschriften, die es Ihnen ja so einfach machen, alles und jeden zu decken? Denken Sie mal drüber nach, vielleicht fällt Ihnen ja – zufällig – noch das eine oder andere zu Höllerich und den Vandenbergs ein. Schönen Tag noch!« Brackmann machte einfach kehrt, ließ die Tür hinter sich ins Schloß krachen. Er würde Engler keine Ruhe lassen. Er würde ihm so lange zusetzen, bis er seine unbeugsame Haltung aufgab. Engler sollte auch nicht eine Minute lang denken, daß Brackmann die Sache irgendwann auf sich beruhen lassen würde.
     
    Engler atmete tief durch, sobald die Tür hinter Brackmann ins Schloß gefallen war. Er schloß die Augen und lehnte sich zurück. Er hatte heftiges Herzklopfen, sein Kopf schmerzte, pulsierende spitze Stiche in der linken Schläfe, dazu leichte Übelkeit. Die ersten Anzeichen einer Migräne. Er bekam immer Migräne, wenn er unter Druck stand. Wie jetzt. Er legte Zeige- und Mittelfinger beider Hände auf die Schläfen und begann sie zu massieren. Manchmal half dies im Anfangsstadium, diesmal aber nicht.

Kapitel 28
    Brackmann stieg um fünfzehn Uhr in den Opel. Beherrschendes Thema im Radio war der Tornado der vergangenen Nacht, die Sensation für alle, denen Politik- und Wirtschaftseinerlei der vergangenen Wochen und Monate zu eintönig geworden war. Für wenige Stunden war Waldstein der Nabel der Welt, Fernsehteams und Reporteraus allen Teilen Deutschlands und des Auslands waren angereist, stürzten sich wie eine Meute Bluthunde auf die Menschen, interviewten Betroffene und Helfer, um schließlich das Ganze in reißerische oder tränenrührige Stories zu verpacken, wobei es nur den wenigsten dabei um echte Fakten zu gehen schien.
    Aber Brackmann war das egal. Er zwang sich, für den Augenblick Engler und alles, was damit zusammenhing, in eine Schublade in seinem Kopf zu stecken und sich anderen Dingen zuzuwenden. Es gab noch etwas, das ihn beschäftigte – die Vergewaltigung von Angela Siebeck. Wer hatte sich gestern nacht kurz vor dem Unwetter an ihr vergangen? Sollte es sich bei dem Täter um denselben Mann handeln, von dem Angela sich über einen längeren Zeitraum beobachtet fühlte, dann wußte Brackmann, wenn er sich an ihre Beschreibung hielt, wo er denjenigen finden würde. In ganz Waldstein kannte er nur einen jungen Mann, der eine Brille wie die von Angela Siebeck beschriebene trug, dessen Gesicht voller Pickel war und der auch vom Alter her in Frage kam. Natürlich bestand die Möglichkeit, daß er sich täuschte, daß der Mann, von dem sie sich seit längerem beobachtet fühlte, nichts mit dem Verbrechen zu tun hatte. Aber er würde dieser Spur nachgehen, sehr behutsam und sehr vorsichtig.
    Bürgermeister Phillips wohnte nur einen Steinwurf vom Rathaus entfernt in einem von einem prächtigen Garten umgebenen Haus. Phillips war nicht nur Bürgermeister, ihm gehörten auch der Supermarkt, die größte Nürnberger Zeitung sowie Anteile an einigen Unternehmen der Vandenbergs. Wer jedoch glaubte, Phillips würde vor Arbeit kaum noch Zeit für andere Dinge finden, irrte. Die meiste Zeit verbrachte Phillips damit, seinen Garten zu pflegen, nur ab und zu sah er im Rathaus nach dem rechten, Phillips war ein Meister im Delegieren, zudem war Waldstein vielzu klein, um einen Bürgermeister wirklich auszulasten. Also gab Phillips sich viel lieber den nützlichen Dingen, wie er es nannte, hin.
    Brackmann trat durch das Gartentor, das nicht wie bei den Vandenbergs von zwei Ausgeburten der Hölle bewacht wurde. Phillips hielt keine Hunde, er fürchtete, sie könnten seinen Garten ruinieren. Brackmann klingelte. Herta, das etwa fünfzigjährige »Hausmädchen«, öffnete ihm. Sie trug ein dunkelgraues Kleid, sah ihn mit regungsloser Miene an. »Ja?« fragte sie mit herber Stimme, die in vollkommener Harmonie zu ihrer kantigen Statur stand.
    »Ich möchte bitte mit dem Bürgermeister sprechen.«
    »Das tut mir leid, aber der Bürgermeister möchte im Augenblick nicht gestört

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