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Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Titel: Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Napoleoni
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geschriebene Geschichte zu überwinden, ist eine Illusion, der heute noch viele Europäer unterliegen. Es ist wohl kein Zufall, dass im Mittelpunkt der Krise ausgerechnet jene Länder stehen, in denen die Erinnerung an die Diktaturen der Vergangenheit noch lebendig ist: Spanien, Italien, Griechenland, Portugal und auch Deutschland. Das geradezu irrationale Festhalten am Euro ist Frucht der Idee, dass allein eine gemeinsame Währung die europäischen Demokratien vor den Gefahren des Nationalismus und Faschismus bewahren kann. Mehr als der gemeinsame Markt, als das Europaparlament und alle geschlossenen Verträge garantiert die gemeinsame Währung in den Augen der Europäer den Frieden.
    Doch leider steht hinter der gemeinsamen Währung keine echte Integration. In mehr als zehn Jahren ist es Brüssel nicht gelungen, die europäische Finanzlandschaft zu vereinheitlichen, ein europäisches »Schatzamt« zu schaffen oder gar die berühmten »Eurobonds«. Der Grund? Die Deutschen wollen nicht für die Schulden der Griechen geradestehen, und die Griechen wollen ihre Steuergelder nicht nach Brüssel abführen.
    In der Zwischenzeit verrennt Europa sich in die Illusion, der Euro sei der Schutzschild des Kontinents, ohne den wir alle verloren wären, und läuft Gefahr, dass die Wirtschaft des Kontinents auseinanderbricht und die Welt in eine neue Weltwirtschaftskrise abgleitet. Die eigentliche Lektion aber, die wir aus der Geschichte lernen sollten, ist, dass die Gegenwart nie mit der Vergangenheit gleichzusetzen ist und dass es gilt, ihre Besonderheiten zu respektieren. Weder das Anwerfen der Gelddruckmaschinen noch die sture Verteidigung des Euro werden uns aus der aktuellen Situation heraushelfen. Was wir brauchen, ist eine gegenwartsbezogene Politik, die verschiedenen Entwicklungen wie dem Auseinanderdriften der Einkommen oder dem geplanten Bankrott von Ländern wie Griechenland und Italien einen Riegel vorschiebt. Wenn es dazu nötig sein sollte, dass manche Länder aus der Euro-Zone ausscheren, dann sollte dies möglich sein, bevor die Märkte es erzwingen und bevor es zu spät ist, um zu retten, was noch zu retten ist.

1 Der Flächenbrand der Demokratisierung
    Ein gefährlicher Flächenbrand hat den Mittelmeerraum erfasst. Er zieht von Nordafrika nach Europa, scheinbar unaufhaltsam. Er erfasst hauptsächlich die jüngeren Mitglieder der Zivilgesellschaft, aber auch ältere sind dagegen nicht gefeit. Demokratische Gedanken verbreiten sich wie Feuer.
    Die Flammen der Auflehnung sind nun sogar in Amerika angekommen, dem Herzen des Imperiums westlicher Globalisierung. Ein Schreckgespenst geht um, das weltweit allen Politikern zusetzt: der Funke. Denn gegen diesen Funken helfen weder Wasser noch Sand. Das Feuer nimmt einen atypischen Verlauf, weil ihm zwei Brände vorausgingen, die sozusagen das Feld bereitet haben: die Schuldenkrise und die Krise der politischen Institutionen, die sich zu überholten und untauglichen Instrumenten entwickelt haben. Erstere hat den allgemeinen Wohlstand verringert und somit die Widerstandskraft der betroffenen Länder herabgesetzt. Letztere stellt die Regierungsorgane in Frage. Wenn dem Flächenbrand nicht Einhalt geboten wird, könnte er die kränkelnden Demokratien Europas mit derselben Geschwindigkeit hinwegfegen, mit der im Süden die arabischen Diktaturen fallen.
    Die Frage ist nun: Wäre das wirklich so schlecht?
    Ein erstes Aufflackern des Feuers gab es bereits vor gut zehn Jahren. Tatsächlich beginnt alles mit dem Bankrott Argentiniens im Jahr 2001. Die politischen Folgen des Zusammenbruchs reißen bald ganz Lateinamerika mit sich. Überall entstehen neue Regierungen, die auf Konfrontationskurs zu den Eliten des westlichen Imperiums gehen, da man diese für die katastrophale wirtschaftliche Lage in mehr als einem Land verantwortlich macht. Eine politische Bewegung entsteht, die für die Rechte des Volkes eintritt und sie gegen die lokale wie internationale Oligarchie des Geldes verteidigt. Ihre Köpfe sind Menschen wie der brasilianische Regierungschef Lula oder der bolivianische Präsident Evo Morales.
    Während im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends die Wirtschaft immer mehr in die Fänge des Finanzkapitalismus gerät, schafft der Funke den Sprung über den Atlantik. Periodisch wiederkehrende Krisen lassen das Feuer immer wieder aufflackern. Da ist zum Beispiel der immense Anstieg der Lebensmittelpreise seit 2007. Oder die von der Politik offen betriebene Diskriminierung und

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