Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert
Land längst in den Ruin getrieben hätte.
Der Autohersteller Fiat, die Gewerkschaften, ja, das ganze italienische Parlament sind die überlebten Mammuts in diesem modernen Zoo, die dem Land nicht mehr helfen können. So erzählt uns Giulia Farzi, eine mutige junge Frau, die einen befristeten Vertrag hat – pikanterweise bei der Arbeitsagentur. Sie schreibt in ihrem Blog »PrecarieMenti«, dem Blog der »prekären Intellektuellen«: »Nachdem ich eine Job-Ausschreibung gewonnen hatte, habe ich jetzt seit drei Monaten einen befristeten Vertrag. Rein vertraglich gesehen, bin ich jetzt natürlich bessergestellt. Ich habe bezahlten Urlaub, kann mich krankschreiben lassen, habe bei Kündigung Anrecht auf eine Entschädigung und kriege Leistungszulage und Weihnachtsgeld. Lauter Dinge, die ich als freie Mitarbeiterin nicht bekam. Wenn ich mir als freie Mitarbeiterin Sommerurlaub nahm, verdiente ich in dem Monat 750 bis 800 statt der maximal 1250 Euro, die ich sonst bekam. Blieb ich ein paar Tage zu Hause, betrug mein Monatsgehalt mindestens 100 Euro weniger. Das fällt durchaus ins Gewicht, wenn man allein seine Miete bezahlen, für Arztbesuche aufkommen sowie Zahlungsfristen einhalten muss.
Ärgerlich ist auch, dass man als Freiberufler doppelt so viel arbeitet wie einige festangestellte Kollegen der alten Garde. Du beißt in den sauren Apfel und schluckst deine Wut hinunter – aber es bringt dir nichts. Dabei haben die prekär Beschäftigten frischen Wind in die öffentliche Verwaltung gebracht. Sie gehen ganz anders um mit den Besuchern, sind aus Freude an der Arbeit zuvorkommend und nicht nur, weil sie müssen. Seit siebeneinhalb Jahren bekomme ich das jetzt täglich mit.
Würden wir morgen nicht zur Arbeit erscheinen, liefe auf dem Arbeitsamt nichts mehr. Die Effizienz an den Anmeldeschaltern oder in der Dienststelle für Behinderte wäre hinüber, einzelne Dienstleistungen wie der Informationsschalter würden ganz verschwinden. Es kann durchaus passieren, dass unsere Verträge nicht verlängert werden, dass man uns eines Tages sagt: ›Es gibt keinen Platz mehr für euch, vielen Dank und auf Wiedersehen.‹ Fünf, sieben oder zehn Jahre schlechtbezahlte Arbeit als freiberuflich Beschäftigte, in denen wir uns selbst um unsere Kompetenz bemüht haben: Und doch würde man im Notfall die qualifizierte Hilfestellung für Menschen mit Behinderung einfach streichen.«
Wäre den jungen Leuten klar, was sie alles leisten, dann könnte man das »P« der »Generation Praktikum« anders definieren: als »Prestige« vielleicht oder als »Power« im Sinne von Macht – all das, was die Arbeiterklasse einst besaß.
10 Soziale Medien – die neue Waffe
Die Generation Millennium ist auch die Generation des Web 2.0, die erste Generation, die sich in der virtuellen Welt so richtig zu Hause fühlt. Eben in dieser abstrakten Dimension der Computer und Mobiltelefone liegt ihre wahre Stärke. Keine der vorhergehenden Protestgenerationen verfügte über ein so machtvolles Informationsinstrument, wie das Internet es ist. Dementsprechend groß war der Einfluss der sozialen Medien auf die Revolte in Tunesien oder Ägypten. Mit ihrer Hilfe konnte man ein internationales Netzwerk knüpfen, das alle Länder im Aufruhr verband. Die spanischen Indignados beschlossen, die Protestierenden in Israel nachzuahmen und ein Forum zu schaffen für den Dialog zwischen der Zivilgesellschaft und den Mächtigen im Staat. Wo? Natürlich im Netz.
In London verabredeten sich die Banden jugendlicher Plünderer über Twitter. Der »brave« Bürger konnte sich per Smartphone in Echtzeit informieren, wie er die Gefahrenzonen umgehen sollte. Allein die Ordnungshüter hatten keine Ahnung. Mindestens 48 Stunden lang war die Polizei nicht in der Lage, die Gewalt auf den Straßen in den Griff zu bekommen.
Sind sich die jungen Leute der Macht bewusst, die sie in Händen halten? Eine schwierige Frage, stehen wir doch erst am Anfang dieser demokratischen Revolution mittels Computer. Eines aber ist klar: Das Internet ist keine Alternativwelt, in der es hauptsächlich um Videospiele und persönlichen Voyeurismus geht.
Das Web eröffnet den Jungen Zugang zu einer neuen sozialen Dimension, die reale soziale Beziehungen nicht ersetzt, sondern erweitert. In dieser neuen sozialen Dimension steckt ein enormes Potenzial an Teilhabe und Engagement. Was bedeutet das für uns? Dass das Internet tief in unser Leben hineinwirkt, statt nur isolierter Cyberraum zu sein. Und dies
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