Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Satellitenfernsehen, Internet, Radio und mobilen Kommunikationsnetzwerken. In London wurde die Zivilbevölkerung selbst aktiv und organisierte mittels Facebook und Twitter die Aufräumarbeiten auf den Straßen, die während der Unruhen verwüstet worden waren.
    Dass die Zivilgesellschaft sich nun sowohl in den sozialen als auch in den traditionellen Medien informieren kann – heute wissen wir beispielsweise, was in Syrien wirklich vor sich geht –, führte zum Fall des Medienmoguls Rupert Murdoch, der ein regelrechtes Netzwerk der Korruption aufgebaut hatte: Murdochs Imperium stand in direkter Verbindung mit Scotland Yard, aber auch mit den Inhabern der wichtigsten politischen Ämter Großbritanniens. Niemand entkam seinen illegalen Abhörpraktiken. Während der Anhörung durch das britische Parlament erzählte Murdoch von seinen ständigen Besuchen bei den einzelnen Ministerpräsidenten und seufzt: »Ich hatte so gehofft, dass sie mich in Ruhe lassen.«
    Der Abhörskandal flog 2011 auf, weil Investigativjournalisten wie Nick Davies mittlerweile über neue Informationsinstrumente verfügen, von Twitter bis zu Facebook. Einzig die Bedrohung durch die sozialen Medien hat Cameron und die politische Klasse Großbritanniens dazu gebracht, ihren früheren Freunden die Rückendeckung zu entziehen. Murdoch und seine Kumpane unterhielten persönliche Beziehungen zu Ministern und Premiers, ob diese nun aus der Labour Party kamen oder von den Tories. News of the World , das meistgelesene englischsprachige Blatt der Welt, unterstützte zuerst den Wahlkampf der Linken und später den der Rechten. Die Volksvertreter, die im Parlament sitzen, haben ihren Sitz also nicht selbst erobert. Die eigentlichen Matchwinner waren all jene, die uns Tag für Tag die in den Luxusbüros von News International erfundenen Lügengeschichten als Wahrheit verkaufen.
    In Italien, Frankreich, Spanien und im Rest der Welt ist die Lage nicht anders: Es besteht eine unheilige Allianz zwischen den politischen Eliten und den Medienzaren. In Tunesien und Ägypten kontrollierte das Regime die Medien ganz offen, aber auch anderenorts ist die Unabhängigkeit der Presse mittlerweile zur Farce verkommen. Das Joint Venture zwischen Politikern und Geldadel würde ohne mediale Rückendeckung gar nicht funktionieren.
    Die westlichen Medienimperien entstanden nach dem Berliner Mauerfall und festigen sich in den zwanzig Jahren der Globalisierung. Warum? Wie alles andere verflacht auch die Berichterstattung. Der Propagandakrieg zwischen rechter und linker Presse fällt weg, es bildet sich eine neue Art von Information heraus, die dem System nach dem Mund redet. Ebendeshalb konnte Murdoch einmal diese, einmal jene Partei unterstützen.
    Wer auch immer an die Spitze der Macht kommen will, muss sich die Unterstützung durch die Informationskartelle der Medienzaren sichern. Eingefleischte Journalisten werden von einem Tag zum anderen zu Pressesprechern von Politikern, für die sie dieselbe Propagandaarbeit leisten, die sie bislang für Skandalblätter oder normale Presseorgane machten.
    Doch diese Welt geriet schnell ins Wackeln, als die sozialen Medien und das iPhone auf der Bildfläche erschienen. Nun verfügt der Bürger über die Mittel, um den großen Schwindel zu entlarven. Warum bricht die Revolution in Tunesien erst 2011 aus und nicht schon 2008 bei den Unruhen in Gafsa und Kasserine? Schon damals lösten die Machinationen bei der Berufung neuer Staatsdiener Demonstrationen und Sitzblockaden aus, die sieben Monate dauerten. Doch erst 2011 war die Verbreitung von Internet und Smartphone weit genug fortgeschritten, um der Propaganda des Regimes etwas entgegensetzen zu können. So lässt sich auch erklären, warum der Aufstand der Massen in Italien immer noch auf sich warten lässt: Im Gegensatz zu anderen westlichen Ländern informiert sich hier weiterhin ein großer Teil der Bevölkerung übers Fernsehen. Und die Propagandamaschinerie der staatlichen Medien arbeitet hervorragend.

11 Es reicht!
    Am liebsten würde man schreien: »Schikanierte und Ausgenutzte Europas, vereinigt euch!« Dieses Mantra verbreitete sich via Twitter und Facebook von Nordafrika an die europäischen Gestade des Mittelmeers: Ihr Jungen dieses Meeres, erhebt euer Haupt und verlangt das Unmögliche – ein Leben in Würde!
    Die jungen Araber haben es jedenfalls getan. Sie gingen auf die Straße und stürzten Diktaturen, die lange an der Macht waren. Doch damit allein gaben sie sich nicht