Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert
gewesen, einer Organisation, die immerhin über jahrzehntelange Erfahrung auf diesem Gebiet verfügt. Für den schlimmsten Fall hätte man verschiedene Krisenszenarien durchspielen müssen, um unterschiedliche Lösungsansätze zu finden. Nichts von alledem ist passiert.
Es sei deshalb die Frage erlaubt: Wozu ist der IWF eigentlich nütze? Sie macht zurzeit auf den Straßen Europas die Runde. Die Empörten des alten Kontinents sind allerdings nicht die Ersten, die darauf eine Antwort suchen. Als 1997 die Asienkrise (sozusagen die Generalprobe zur europäischen Schuldenkrise) ausbrach, beschäftigte sie einen großen Teil der asiatischen Bevölkerung.
Damals wie heute riskiert ein ganzer Kontinent die Pleite. Verantwortlich dafür waren auch seinerzeit westliche Banken und Investmentfonds, die dank der Deregulierung in Schwellenländern wie Malaysia und Thailand im großen Stil investiert hatten. Sie verleiteten die Regierungen dieser Länder dazu, sich angesichts des ständig steigenden Werts von Immobilien und Aktien immer mehr zu verschulden, und verursachten so eine ungeheure Finanzblase. Aber warum vergibt jemand Kredite, wo doch jeder weiß, dass Spekulationsblasen früher oder später platzen müssen? Ganz einfach: weil in der Finanzwelt mittlerweile das Gesetz des irrationalen Überschwangs und der systematischen Unterschätzung von Risiken herrscht. Und weil von den Akteuren der Hochfinanz noch nie auch nur einer für seine Fehler bezahlen musste.
In den neunziger Jahren wächst die asiatische Spekulationsblase vor den Augen des Währungsfonds und der Weltbank, die theoretisch die Entwicklung der Wirtschaft in den Schwellenländern überwachen sollen, in der Praxis aber rein gar nichts unternehmen. Auf den jährlichen Hauptversammlungen dieser Institutionen finden sich die Mächtigen der Erde ein und stoßen mit Champagner auf den Erfolg ihrer Politik an. Die Funktionäre des IWF und der Weltbank wirken neben den Wall-Street-Giganten wie deren arme Verwandte. Niemand wagt es, auch nur darauf hinzuweisen, dass der massive Geldfluss in die asiatischen Länder nicht gerechtfertigt ist und den noch jungen und fragilen Volkswirtschaften irreparable Schäden zufügen könnte. Einwände sind unbeliebt, denn es geht um hohe Gewinne – für jede Transaktion werden üppige Provisionen fällig. Außerdem sind sich Börsenmakler und Banker sicher, dass sie ihre »giftigen Papiere« kurz vor dem Platzen der Spekulationsblase noch losschlagen können. Vor allem aber vertrauen sie darauf, wie immer ungestraft davonzukommen.
Und sie haben recht behalten, auch wenn das Platzen der asiatischen Finanzblase ein unbeschreibliches Chaos auslöste.
Der thailändische Baht brach um 40 Prozent ein, die indonesische Rupie um 80, der malaysische Ringgit um 30, der Singapur-Dollar um 15 und der philippinische Peso um 50 Prozent. Die Aktien- und Rentenmarkt-Indizes sausten in den Keller, an den Finanzmärkten setzte eine Massenflucht ein. Jeder warf auf den Markt, was er an asiatischen Titeln im Portfolio hatte. Der damalige US-Notenbankchef Alan Greenspan, der große alte Mann der globalisierten Finanzwirtschaft, übernahm es, die Verluste der Wall-Street-Giganten zu halbieren. Mit radikalen Zinssenkungen konnte er verhindern, dass die Krise auch die Wall Street mitriss.
Die Volkswirtschaften der asiatischen Länder verfügten über keinen solchen Anker und wurden von der Krise förmlich zerschmettert. Und der Grund? Bedeutende Ökonomen bemühten zur Antwort ein psychologisierendes Erklärungsmodell. Das Verhalten der Märkte sei »bipolar«, heißt es. Die Schuld trügen einzig »unsere animalischen Instinkte« (nach einem Zitat von John Maynard Keynes). Dieses Modell geht davon aus, dass Börsenhändler sich in einer höllischen Mischung aus Irrationalität und Instinkt wie Idioten benehmen. Eigentlich sollte man sie als Kriminelle betrachten, da sich durch ihre Schuld von einem Tag auf den anderen Milliarden sozusagen in nichts auflösten.
Die Wirklichkeit ist sehr viel einfacher. Die Spekulanten konnten das internationale Kontrollsystem »austricksen«, weil es ein solches noch nie gegeben hat. Der Vergleich zwischen der asiatischen und der Euro-Krise zeigt, dass die Situation immer dann schwierig wird, wenn die Ratingagenturen die Alarmglocken läuten – und das geschieht gewöhnlich erst dann, wenn der Schaden schon angerichtet ist. Griechenland fälschte seine Bilanzen, aber das kam erst ans Licht, als die Verschuldung
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