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Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Titel: Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Napoleoni
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behaupten, ein Teil der Verantwortung für die Schuldenkrise liege beim IWF. Denn er hat die Länder, die die Wall Street ins Visier genommen hatte, nie vor den Gefahren der Politik leicht erhältlicher Kredite gewarnt. Obwohl doch das Mantra der Hochfinanz lautet: »Es gibt nichts umsonst!«
    Die Bürger, die heute auf Europas Straßen protestieren, wissen, dass diese Krise nur die jüngste Folge einer Seifenoper mit dem Titel »Verschuldungsdrama« ist. Sie begann 1989 mit dem Fall der Berliner Mauer und dem Anbruch des Zeitalters der Globalisierung, in dem die Hochfinanz ein Land nach dem anderen, Region um Region heimsucht, um die dortige Volkswirtschaft kaputt zu machen. Russland, Thailand, Malaysia, die Philippinen, Korea, Argentinien, Ecuador, Island und jetzt Griechenland, Portugal, Irland und bestimmt bald auch Italien – die Liste ist lang.
    Wie ein Heuschreckenschwarm bereichert sich das Heer der neoliberalen Raubritter an den Schulden. Ist erst einmal alle Liquidität aufgesaugt, hinterlässt es eine verwüstete Landschaft. Die Nachhut bildet dann der IWF, der den Kriminellen auf der Flucht den Rücken deckt.
    Was würde Keynes dazu sagen? Die Institutionen, die er in Bretton Woods ins Leben rief, um eine zweite Weltwirtschaftskrise zu verhindern, sollten über das Währungssystem wachen und verarmten Ländern Hilfestellung leisten. Nun scheint es, als habe man seine Bücher verbrannt und die neoliberale Doktrin des freien Marktes zum Götzen erhoben.
    Wenn die Wirtschaft dann schlecht läuft, heißt das Zauberwort Kürzungen. Kürzungen, Kürzungen und nochmals Kürzungen. Aber welchen Sinn hat es, bei den Haushaltsausgaben zu sparen, nur um sich noch höher zu verschulden? Wer kümmert sich um Arbeitslosigkeit, Renten, Schule, Gesundheits- und Transportwesen? Wer um die Realwirtschaft, in der die jungen Leute die Hauptrolle spielen sollten, damit sie ein annehmbares Leben führen können? Diese brennenden Fragen stellen heute die Empörten den Politikern. Es sind dieselben, die sich auch der Premierminister von Malaysia stellen musste.
    Schlechte Gesellschaft – schlechte Gewohnheiten
    Wir befinden uns im Jahr 1997. Der IWF versucht, das Unvermeidbare zu verhindern: den wirtschaftlichen Zusammenbruch der Emerging Markets in Asien. Da überrascht der malaysische Premierminister Mahathir bin Mohamad die internationale Hochfinanz, indem er die Währungsspekulanten öffentlich rügt. Er beschuldigt sie, sein blühendes muslimisches Land, dessen Wirtschaft in raschem Wachstum begriffen war, vernichten zu wollen. Die Finanzwelt schaut fassungslos zu, als er auf das islamische Spekulationsverbot »Gharar« verweist. Mahathir stellt Malaysia als Opfer raffgieriger westlicher Investoren dar und lehnt eine Intervention der Bretton-Woods-Institutionen ab. Stattdessen ersucht er die reichen islamischen Brüder am Persischen Golf um Hilfe. Und diese stellen sich schützend vor ihn.
    Die Islamische Entwicklungsbank stellt zusammen mit reichen saudi-arabischen Investoren ein alternatives Rettungspaket zusammen. Die Investoren machen dem Land keinerlei Kürzungen zur Auflage, Malaysia darf das gewährte Geld selbst verwalten. Und so geschieht, was jedermann für unmöglich hielt: Während in Thailand und auf den Philippinen in Folge der vom IWF auferlegten Sparpolitik das BIP schrumpft, die Arbeitslosigkeit steigt und die Wirtschaft flügellahm bleibt, zieht Malaysia eine Schar reicher muslimischer Investoren an. Und das, obschon gleichzeitig das BIP um 2,8 Prozent zurückgeht, die Wirtschaftskrise auf ihrem Höhepunkt anlangt, Kapitalkontrollen eingeführt werden und die Währung nicht mehr frei tauschbar ist. Darüber hinaus wird der Wirtschaftsminister entlassen, während man dem stellvertretenden Premierminister Anwar Ibrahim Handschellen anlegt. Köpfe rollen, auch die angesehener Politiker.
    Angemessene strafrechtliche Konsequenzen sollten den Verantwortlichen eigentlich auch in Europa drohen. Tut es aber nicht. Weil das Schicksal unseres Kontinents heute in den Händen ebenso unzeitgemäßer wie einfallsloser Institutionen liegt, deren Fehler bzw. Verbrechen auf die Bevölkerung zurückfallen. Premierminister Mahathir wusste sich angesichts der Opfer, die Wall Street dem Land abverlangt hatte, vor ihnen zu hüten. Schlechte Gesellschaft, schlechte Gewohnheiten – und der IWF geht seit mindestens zwanzig Jahren mit schlechtem Beispiel voran.
    Malaysia brauchte nur wenige Jahre, um aus dem Finanztief

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