Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert
dem Kontinent. Das Verhältnis der Militärausgaben zum BIP ist in Griechenland höher als irgendwo sonst in der EU. Innerhalb der Nato wenden einzig die USA noch mehr für ihre Verteidigung auf. Von 2000 bis 2010 gab Griechenland für Waffen, U-Boote und Düsenjäger 16 Milliarden Euro aus. Das ist fast das Doppelte der 9 Milliarden, die es 2009 in Davos erbettelte! Trotz der von EU und IWF auferlegten Budgetkürzungen fraßen die griechischen Militärausgaben auch 2011 noch 2,5 Prozent des BIP. Warum? Die offizielle Antwort ist, dass sich das Land im Ernstfall gegen eine türkische Invasion verteidigen muss – eine mehr als unrealistische Vorstellung.
Unter den wichtigsten Waffenlieferanten sind hauptsächlich französische und deutsche Unternehmen. 2010 wird das europäische Rettungspaket für Griechenland im Umfang von 110 Mil liarden Euro verabschiedet. Nur wenige Wochen zuvor verbrei tet die Agentur Reuters die Nachricht, die deutsche und die französische Regierung hätten Druck ausgeübt, damit die Griechen das bestellte Rüstungsmaterial abnehmen. Es handelt sich um sechs Fregatten im Wert von 2,5 Milliarden Euro, fünfzehn Hubschrauber im Wert von 500 Millionen Euro sowie Dutzende von Jagdflugzeugen im Wert von 100 Millionen Euro pro Stück. Das Material stammt ausschließlich aus französischer Herstellung. Des Weiteren sollen die Griechen 2,8 Milliarden Dollar für drei deutsche U-Boote bezahlen, von denen eines ihrer Aussage zufolge nicht einmal funktionstüchtig ist. Ein Teil der Finanzhilfen fließt also direkt in die Taschen französischer und deutscher Rüstungsunternehmen.
Und nur so am Rande bemerkt: Griechenland braucht diese modernen Waffen nicht, selbst wenn es sich gegen einen möglichen türkischen Angriff verteidigen müsste. Die U-Boote der Firma ThyssenKrupp beispielsweise können drei Monate lang unter Wasser bleiben. Wenn man bedenkt, dass die maximale Fahrzeit zwischen den ägäischen Inseln nur knapp vier Stunden beträgt, ist das absolut überflüssig. Anders sieht die Situation natürlich aus, wenn das griechische Rüstungsinventar im Rahmen der kontinentalen europäischen Verteidigungspolitik zum Einsatz kommen soll. Dann ginge es nicht mehr um Spannungen in der Ägäis, sondern um den Persischen Golf. Offiziell aber existiert dieses Szenario im Rahmen des Pakts zwischen Griechenland und der Nato bzw. zwischen der EU und dem Atlantischen Bündnis nicht.
Wie kann man Renten und Gehälter kürzen, während man gleichzeitig für mehrere Milliarden U-Boote und Waffen einkauft? Diese Frage stellt der griechische Vizeadmiral Stelios Fenekos. Bald darauf gibt er – im April 2010 – seinen Rücktritt bekannt. Wie kann man das EU-Rettungspaket für Griechenland vom Verkauf von Waffen abhängig machen, die das Land gar nicht braucht? Für wen arbeitet Brüssel eigentlich? Für die Europäische Zentralbank und den Währungsfonds oder für die multinationalen Konzerne in Nordeuropa? Für die Bürger oder den Geldadel? Höchste Zeit, dass sich alle Europäer diese Fragen stellen! Momentan haben nur die den Mut dazu, die vom politischen Prozess ausgeschlossen sind.
Misswirtschaft und schlechte Regierungsführung begünstigen die wechselseitige Abhängigkeit der Oligarchien, die in den verschiedenen Ländern die Macht innehaben. Deshalb ist Europa heute in einem Netz aus miteinander verwobenen Schuldensträngen gefangen, aus dem es kein Entkommen gibt. Anfang des Sommers 2011 sind es Griechenland und Portugal, die bei ihren nördlichen Nachbarn Finanzhilfen beantragen, um so der Pleite zu entgehen. Im August folgen Spanien und Italien, im Juni 2012 will Spanien seine Banken unter den »Rettungsschirm« stellen. Die Garantie der Europäischen Zentralbank, entsprechende Anleihen anzukaufen, soll der Spekulation einen Riegel vorschieben. Doch wird das Geld der nördlichen Staaten tatsächlich fließen? Die Vorteile einer gemeinsamen Währung schwinden allmählich dahin, wenn für ihre Rettung Hunderte Milliarden Euro benötigt werden. Es kostet einfach zu viel, Europas drittgrößte Volkswirtschaft Italien zu retten. Beleg dafür sind die in Italien jüngst getroffenen Maßnahmen. Selbst Vertreter der Regierungsmehrheit sprachen in Bezug auf die einschneidenden Kürzungen von »Blut und Tränen«. Der Premierminister unterstreicht, dass er zu diesen Maßnahmen gezwungen ist – als ob je ein Staatsoberhaupt seinem Volk freiwillig Sparprogramme auferlegt hätte. Weitere 45 Millionen Euro an
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