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Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Titel: Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Napoleoni
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reichhaltigsten Vorkommen auf dem afrikanischen Kontinent verfügt. Es handelt sich um eine Art Reserve an schwarzem Gold, die nahezu zwanzig Jahre lang ruhte, da von 1992 bis 2003 UN-Sanktionen gegen Libyen in Kraft waren. Wer sich als Erster diese Vorräte unter den Nagel reißen würde, hätte sich allen anderen gegenüber einen großen Vorteil verschafft.
    Schuld an Gaddafis langfristiger Isolierung war seine Vergangenheit. Er finanzierte westliche Terrorgruppen und war in mehrere Terroranschläge in Europa verwickelt. Auf sein Konto gehen zum Beispiel der Anschlag auf ein amerikanisches Passagierflugzeug am 21. Dezember 1988 über Lockerbie (Schottland) sowie der Anschlag auf die Berliner Diskothek »La Belle« (Friedenau) vom 5. April 1986. Doch 2002 beschließen US-Präsident George Bush und der britische Premierminister Tony Blair, dass es Zeit für eine Wiederannäherung ist. Für ihre Theorie, dass der Irak Massenvernichtungswaffen baut und ein Präventivschlag folglich angebracht wäre, brauchen sie einen Schurkenstaat, der Reue zeigt und all seine Atomprogramme einstellt. Mit der Rückkehr des verlorenen Sohnes werden also zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Zum einen wird der Irak noch weiter isoliert, zum anderen zeichnet sich eine Lösung für das Energiebeschaffungsproblem im Westen ab. Denn die globalisierte Wirtschaft expandiert und braucht Öl sowie neue Absatzmärkte. Libyen ist reich an Rohstoffen, ein sozusagen jungfräulicher Markt, auf dem die westlichen Unternehmen potenziell lukrative Geschäfte tätigen können. Und genau das werden sie auch tun.
    Gaddafi übernimmt begeistert die Rolle des verlorenen Sohnes, denn die Isolierung seines Landes hat sein Regime deutlich geschwächt. Die Möglichkeit, Libyens Erdöl zu stetig steigenden Preisen verkaufen zu können, muss ihm wie Manna vom Himmel erschienen sein. Er verpflichtet sich also, die Familien der 270 Lockerbie-Opfer zu entschädigen. Jede Familie erhält bis zu 10 Millionen Dollar, das ergibt insgesamt 2,7 Milliarden Dollar. Und Gaddafi bleibt weiter spendabel, was die Opfer seiner terroristischen Machenschaften angeht: Berlin 1986 und der UTA-Flug 1989. Sogar die bei der US-Strafaktion von 1986, der Bombardierung von Bengasi und Tripolis, zu Schaden gekommenen Bürger entschädigt er. Als diese Bedingungen erfüllt sind, unterschreibt der amerikanische Präsident Bush das Dekret 13477, das Gaddafis Rückkehr in die internationale Gemeinschaft besiegelt.
    Gaddafi zahlt also ein »Blutgeld«, wie es bei den Volksstämmen Libyens die Regel ist: Der Mord an einem Familienmitglied wird üblicherweise durch den Tod des Schuldigen gesühnt. Sie kann aber durch die Bezahlung eines Sühnegelds ersetzt werden, ein im Westen nicht üblicher Rechtsgrundsatz. Das bringt denn auch die britische Regierung in Erklärungsnot: Wie macht man beispielsweise den Angehörigen von Yvonne Fletcher plausibel, dass die Regierung ihrer Majestät im Interesse der Bevölkerung und nach westlichen Moralprinzipien handelt, wenn sie die diplomatischen Beziehungen zu Gaddafi wiederaufnimmt? Die englische Polizistin war 1984 in London bei einer Demonstration gegen die Politik Libyens im Einsatz, als sie aus der libyschen Botschaft heraus erschossen wurde. Bis zuletzt weigerte sich Gaddafi, die Verantwortung für diesen Mord zu übernehmen. Es wird auch schwierig, die Freilassung des mutmaßlichen Attentäters von Lockerbie, des früheren Angestellten der Libyan Arab Airlines Lamin Khalifah Fhimah, zu rechtfertigen. Und siehe da, wer agiert bei diesem Kuhhandel als Vermittler? Der britische Erdölgigant BP.
    Das libysche Rohöl lässt allen das Wasser im Munde zusammenlaufen. Natürlich hüten sich die Politiker wohlweislich, diese Tatsache einzugestehen. 2004 empfängt der damalige Präsident der Europäischen Kommission, Romano Prodi, Gaddafi mit großem Pomp in Brüssel. Unmittelbar im Anschluss daran nehmen die westlichen Erdölgesellschaften ihre Arbeit in Libyen auf. Allen voran die Konzerne ENI (Italien), Repsol (Spanien), OMV (Österreich), Royal Dutch Shell (Niederlande), Statoil (Norwegen) und Gazprom (Russland). BP sichert sich die Rechte an Tiefseebohrungen, auch wenn diese nach der Havarie der Deepwater-Horizon-Plattform 2010 vorübergehend verboten werden.
    Alle hofieren Gaddafi, die Kuh, die es zu melken gilt. Da können natürlich auch die Jungscharen der Hochfinanz nicht fehlen, die nach Tripolis strömen, um den libyschen Staatsfonds zu

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