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Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Titel: Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Napoleoni
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verwalten, der sich dank steigender Erdölpreise im Aufwind befindet. Natürlich fragt niemand, wer eigentlich hinter dem Staatsfonds, der Libyan Investment Authority (LIA), steckt. Seine Funktionäre stehen dem Diktator Gaddafi nahe. Der Fonds, der theoretisch dem Land und seiner Bevölkerung gehört, dient in Wirklichkeit den Eliten, die ihn kontrollieren, als wäre er ihr persönlicher Geldbeutel. So ist zum Beispiel der Vizedirektor der LIA einer der besten Freunde von Saif al Islam, dem Sohn und Erben Gaddafis. Banken wie die französische BNP Paribas und die schweizerische Crédit Suisse, Hedgefonds aus der Londoner City wie Permal und Millennium Global haben leichtes Spiel: Sie ködern die Fondsmanager mit dem Versprechen lukrativer Renditen auf risikoreiche Investitionen.
    Dummerweise klappt das nicht: Der Fonds muss Verluste in Höhe von 1,4 Milliarden Dollar hinnehmen, doch die Provisionen für Banken und Investmentgesellschaften werden natürlich trotzdem fällig. Die Crédit Suisse beispielsweise kassierte 7,6 Millionen Dollar Provision für eine Investition von 200 Millionen Dollar, bei der der libysche Staatsfonds tatsächlich um die 30 Prozent Verlust machte. Auch von den bei BNP Paribas angelegten 300 Millionen Dollar verliert die LIA ein Viertel, muss aber das hübsche Sümmchen von 18 Millionen Dollar als Provision hinblättern. Sie finden das absurd? Das ist es auch, aber nicht absurder als der ganze Rest.
    Die Hochfinanz stürzt sich nämlich nicht als Einzige auf die Kuh Gaddafi. Von 2008 an werden immer mehr berühmte Akademiker in Tripolis vorstellig. Unter ihnen befindet sich zum Beispiel Professor Joseph Nye, der ehemalige Präsident der Kennedy School in Harvard, der den Begriff der »Soft-Power« geprägt hat. »Soft-Power« bezeichnet die Möglichkeit, Außenpolitik durch gezielte Propaganda bzw. Public-Relations-Methoden zu beeinflussen. Nye gehört zur Monitor Group, einer Unternehmensberatung, die von mehreren Harvard-Lehrstuhlinhabern gegründet wurde. Für die bescheidene Summe von 250.000 Dollar im Monat verpasst sie Gaddafi ein neues Image und übernimmt auch dessen Pflege. Diese Tätigkeit bringt ihr insgesamt 3 Millionen Dollar ein – auch wenn sie nicht gerade von Erfolg gekrönt war.
    Von den Popsängern, die vor Gaddafis Familie auftreten, über die skandinavischen Banken, bei denen der Diktator etwa eine Milliarde Euro hinterlegt, bis hin zum Investmenthaus Goldman Sachs, das Gaddafis Wertpapierbestand mit ähnlichen Verlusten verwaltet wie seine Kollegen den der LIA – alle machen Geschäfte mit Gaddafi. Eine besondere Beziehung zum Oberst haben die Italiener. Gaddafi ersteht Anteile von 2 Prozent an Fiat, 2 Prozent an Finmeccanica, einem der größten Industriekonzerne Italiens, 7,5 Prozent an der Unicredit, einer der größten Banken, sowie 7,5 Prozent an Juventus Turin, einem der traditionellen großen Fußballvereine des Landes. Diese Anteile erwarb er offenbar schon 2002 für 21 Millionen Dollar. Daher leiden gerade die italienischen Unternehmen unter dem Bürgerkrieg in Libyen. Schätzungen zufolge beträgt der Schaden am Geschäftsvolumen etwa 100 Milliarden Euro. Das bedeutet für Italien nicht nur den Verlust von BIP-Prozentpunkten, sondern auch von Arbeitsplätzen.
    Während die italienische ENI einen Großteil der fürs Ausland bestimmten libyschen Erdöl- und Gasproduktion verwaltet, agieren andere italienische Unternehmen als Vermittler zwischen der libyschen Regierung und dem internationalen Rohstoffmarkt. Sie wickeln 70 Prozent der libyschen Importe ab – und zahlen Schmiergelder in schwindelerregender Höhe an die damit befassten Beamten. Der Preis für dieses von Berlusconi unterzeichnete Abkommen beträgt 5 Milliarden Dollar, die Italien 2008 als Entschädigung für die einstige Kolonialisierung des Landes entrichtet. Leider bekommt Libyens Bevölkerung das Geld der italienischen Steuerzahler nie zu Gesicht, denn es landet auf den Konten Gaddafis und seiner Familie.
    Zwischen Silvio Berlusconi und dem Oberst entwickelt sich eine ganz besondere Beziehung. Fotos der beiden vermitteln ein Bild vollkommenen Einvernehmens. Tatsächlich gibt es viele Ähnlichkeiten zwischen den zwei Männern: Beide werden mit dem Älterwerden nicht fertig. Sie färben sich die Haare, lassen sich das Gesicht operieren oder mit Botox aufspritzen. Beide konsumieren erklärtermaßen Viagra. Beide spielen sie gern den Macho. Sowohl Gaddafi als auch Berlusconi umgeben sich mit einer

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