Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert
Wechselkursbindung auferlegt wurde. Dem voraus ging eine extrem hohe Verschuldung, die vollkommen aus dem Ruder lief und auf das neoliberalistische Regulierungskorsett zurückzuführen ist, das dem Land von den Zentren des westlichen Finanzimperiums angelegt wurde. Dazu gehört unter anderem die Finanzialisierung der Wirtschaft. Der Schlachtruf nach Privatisierung hallte durchs Land, und die großen Banken standen dabei in vorderster Reihe.
Unter dem Druck des IWF privatisierte der argentinische Staat die Altersvorsorge der Staatsdiener, die Pensionen. So entstanden riesige Pensionsfonds, die offiziell von Argentiniern geleitet wurden, de facto aber von den Bankern der Wall Street, die endlich das Nationalerbe des Landes in ihre gierigen Finger bekamen.
Wie im Fall der PIIGS-Staaten strichen auch hier die großen Geschäfts- und Investmentbanken unglaubliche Summen als Provision ein. Zwischen 1991 und 2001 zahlte Argentinien angeblich 1 Milliarde Dollar nur für die Effektenemission zur Deckung der Staatsschulden. Denn der Staat bezahlte für jede Anleihenemission saftige Provisionen an die Banken, die sie auf den Markt brachten und platzierten. Die Käufer waren hauptsächlich Pensions- und europäische Investmentfonds, denn die Manager der amerikanischen Fonds trauten dem Frieden nicht und forderten höhere Zinsen. Und so wirkte sich die Argentinienkrise stärker in Europa aus als anderswo.
Und genauso wie im Fall der PIIGS-Staaten gaben die Analysten der auflegenden Banken gleichzeitig Berichte heraus, denen zufolge die argentinische Wirtschaft wuchs und keinerlei Risiken aufwies. Ähnlich äußerten sich die Ratingagenturen, die die argentinischen Staatsschulden als hundertprozentig sicher werteten, wiederum wie bei den PIIGS-Staaten. Dieselbe Form des Interessenkonflikts führte 2001 zum Bankrott von Enron und 2002 zur WorldCom-Pleite. Beide Unternehmenspleiten betrafen etwa 400.000 Aktionäre. Bei Argentinien aber handelte es sich um die zweitgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas. So wie die PIIGS-Staaten ein ziemlich gewichtiger Teil Europas sind.
Anders, als die internationale Finanzwelt verkündete, hatte der argentinische Staat von Anfang an Probleme mit der Finanzierung der Staatsausgaben. Das Pensionssystem Argentiniens zum Beispiel lag wie in Europa zentral in den Händen des Staates, zumindest vor der Deregulierung: Der Staat bezahlte die Pensionen mit den Beiträgen, die er von seinen Bediensteten kassierte. Doch sobald das System privatisiert war, flossen die Beiträge den Pensionsfonds zu, die im Übrigen bis heute noch keine Rendite erwirtschaftet haben. In der Zeit bis zum endgültigen Verfall aller Pensionsansprüche musste der Staat die Pensionen also selbst finanzieren. Und so legte man Staatsanleihen auf, die – wie wir gesehen haben – von internationalen Banken gezeichnet und an ihre Kunden weiterverkauft wurden. Argentinien wurde sogar ermutigt, weiter Schulden zu machen. Warum?
Die merkwürdige Zusammensetzung verschiedener Marktindizes sorgt dafür, dass Investment- und Pensionsfonds in die Emerging Markets investieren müssen. Durch die Zeichnung argentinischer Staatsanleihen ließ sich außerdem das Jahresergebnis der Fonds scheinbar mit geringem Risiko deutlich verbessern. Ein weiterer Anreiz sind die Boni, die sich erhöhen, wenn besagte Indizes übertroffen werden. Risiko? Aber nein! Wer immer sich argentinische Staatsanleihen ins Portfolio legte und so die Staatsschulden des Landes vergrößerte, machte Gewinne, weil die Blase immer größer wurde. Daher erhielt Argentinien so mühelos Kredit. Als dann auch noch die Asienkrise ausbrach und der Rubel in die Knie ging, wurden die argentinischen Anleihen die einzig »sicheren« auf dem Bondmarkt der Emerging Markets. Das war der Gnadenstoß, denn dieser letzte Zufluss sorgte dafür, dass die Blase platzte.
Doch kehren wir zurück in die Gegenwart bzw. jüngere Vergangenheit. Auch die Verschuldung der PIIGS-Staaten ruft die Finanzmarktakteure auf den Plan wie der Honig die Bienen. Die Sicherheit des Euro und der chronische Geldbedarf der Defizitländer sind einfach zu verführerisch. Wieder sind es europäische Banken und Pensionsfonds, die kaufen, denn die Amerikaner haben mit der Verbriefung ihrer ungesicherten Subprime-Hypotheken genug zu tun. Als Griechenland, Portugal und Irland unter dem Euro-Rettungsschirm Schutz suchen, scheinen italienische Staatsanleihen als beste Alternative auf dem Markt. Doch auch dies könnte für
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