Der Flammenengel
Schlagwaffe in der Rechten. Der Arm war halb erhoben, und die Augen hatte Od weit aufgerissen, damit er auch nur alles erkennen konnte.
Auf leisen Sohlen bewegte er sich voran. Nur das Glucksen des Wassers war zu hören, als es gegen die Bordwände seines Kahns klatschte. Hinzu kamen die fernen Geräusche von den Piers, wo auch in der Nacht noch geschuftet wurde.
Die Gestalt rührte sich nicht. Sie stand stumm da und wartete auf den Eigner des Schiffes. Stratton richtete sich auf. »Okay, Freund, jetzt nimm die Maske ab und sage mir, wer du bist!«
Er bekam keine Antwort. »Los, rede!«
Der Unbekannte sprach noch immer nicht. Dafür tat er etwas anderes. Mit einem plötzlichen Ruck deutete er seine Absicht an und setzte sich in Bewegung. Dabei schlenkerte er mit den Armen, kam auf Stratton zu, der nicht zur Seite wich und statt dessen zuschlug. Er war sonst kein Schläger und wusste auch von der Gefährlichkeit der Waffe, die tödliche Verletzungen hinterlassen konnte. Deshalb hatte er bei seinem Hieb auch nicht auf den Kopf, sondern auf die Schulter gezielt, und er vernahm das dumpfe Geräusch, als das Rohr traf.
Ihm kam es vor, als hätte er eine weiche Teermasse getroffen. Da kam die Linke des anderen. Und mit ihm der Feuerstrahl…
»Aaaahhh…« Greller als Od Stratton konnte kein Mensch schreien. Vom Feuer erwischt, taumelte er zurück und hatte das Gefühl, in zwei Hälften geteilt zu werden. Aus dem Körper der Gestalt war die Flamme geschossen, die ihn so hart erwischt hatte.
Als er an sich herabschaute, wollten ihm die Augen fast aus den Höhlen quellen! Er brannte!
Panik und Todesangst überfluteten ihn gleichzeitig, wobei er seltsamerweise klar und nüchtern denken konnte und sich eingestand, dass es für ihn nur noch eine Chance gab, mit dem Leben davonzukommen. Er musste über Bord ins kalte Wasser springen. An der Seite, wo er sich befand, ging das nicht, denn das war die Landseite. Also nach Backbord!
Wie ein Betrunkener taumelte er über das Deck. Die Schmerzen rasten so stark durch seinen Körper, dass er sich nicht mehr zurechtfand, den Niedergang hinunterfiel und brennend über die Stufen in die Kabine und den Steuerstand rollte.
Das Feuer war da. Und das Feuer wollte nicht vergehen. Im Gegenteil, es breitete sich plötzlich aus.
Als Od Stratton starb, verpuffte er gleichzeitig mit den hochzischenden Flammen, die wolkenartig gegen das Dach der Kabine fauchten, sich dort ausbreiteten und damit begannen, all das zu verglühen und zu verbrennen, was sich in ihrer unmittelbaren Reichweite befand. Dass Stratton noch am Morgen den Tank des Schiffes hatte füllen lassen, war für ihn als Toten uninteressant geworden. Nicht aber für die Ausbreitung des Feuers, denn als Minuten später der Tank in die Luft flog und das Schiff auseinander riss, war plötzlich die Hölle los.
Über diesen abgeschiedenen Teil des Hafens brach das Inferno mit elementarer Wucht herein. Nicht nur ein Schiff geriet in Brand, gleich drei, vier andere fackelten ab, und auch ihre Tanks, die zum Teil randvoll waren, platzten auseinander, so dass das brennende Benzin hoch in den nachtschwarzen Himmel geschleudert wurde.
Es brannte nicht nur auf der dunklen Wasserfläche weiter, die es gespenstisch erhellte, auch an Land flackerten die ersten Brände auf und setzten die Büsche in Brand. Blitzartig verteilten sich die Flammen und huschten als feurige, zitternde Wand die Böschung hoch, während weitere Schiffe unter lauten Explosionsgeräuschen zerrissen wurden. Zwei schwarze, unheimliche Gestalten aber bewegten sich mitten in der Flammenhölle weiter. Sie hatten die erste Spur gelegt. Ihr Auftrag hieß, London brennen zu lassen.
Irgendwann blieben die Flammen hinter ihnen zurück. Sie sahen noch das schaurige Muster am Himmel, das gewaltige, geisterhafte, tanzende Spiel aus hellem Widerschein und düsteren Schatten, aber das störte sie nicht. Sie mussten zusehen, dass sie ihr eigentliches Ziel erreichten, wo man sie sehnsüchtig erwartete…
***
Auch wir hatten unser Ziel.
Es war die gewisse Insel, über die man uns berichtet hatte. Auf einer Spezialkarte hatten wir den Weg der Themse verfolgt und wussten jetzt, wo die Insel lag.
Da wir so rasch wie möglich hinfahren mussten, entschieden wir uns für den Bentley. Er ›lebte‹ noch. Es war Zufall gewesen, dass ich ihn so geparkt hatte, dass er dem Feuer nicht im Wege stand. Die Flammen hatten ihren Bereich um ihn herum gefunden.
Wir fuhren den gleichen Weg
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