Der Flammenengel
den letzten Satz. Sheila hatte mit dieser Bemerkung unbewusst ein Kernproblem getroffen. Das absolut Böse war menschlich. Oder umgekehrt. Die Hölle waren Menschen, deshalb auch dieses Gesicht, das einen menschlichen Ausdruck besaß, in dem sich eine Verachtung für alles Positive zeigte. Es war schwer für mich, die passenden Worte zu finden und meine Gedanken zu sortieren, aber so war Luzifer nun einmal. Das absolut Schlechte, das absolut Böse. Für ihn gab es keine Dinge, die einem normal denkenden Menschen Freude machten. Er hatte seit der Verbannung aus dem Paradies nichts dazugelernt.
»Zum Glück ist es nur ein Bildnis!« erklärte der Reporter.
Ich hob die Schultern. »Ob es ein Glück ist, werden wir noch feststellen.«
»Und wie?«
»Wir müssen versuchen, die Statue zu vernichten«, erklärte ich. »Sie ist meiner Ansicht nach das Zentrum. Es muss diesen drei Verrätern gelungen sein, durch welche Kenntnisse auch immer, mit dem obersten Höllenfürsten Kontakt aufzunehmen. Wahrscheinlich durch uralte Formeln, durch das genaue Studium der alten Schriften. Möglicherweise ist er ihnen auch erschienen, sonst hätten sie es nicht geschafft, den Kopf mit dieser Genauigkeit nachzumodellieren.«
»Du kennst ihn ja«, sagte Sheila.
»Genau. Es ist noch nicht lange her, da habe ich ihn gesehen, aber das möchte ich mal zur Seite gestellt sein lassen.« Ich stieß meinen Freund Suko an. »Willst du es versuchen?«
»Ihn zu vernichten?«
»Ja.«
Suko hob die Schultern. »Ich habe die Dämonenpeitsche, das ist alles.«
»Nimm sie.«
Es war unsere große Hoffnung, aber der Inspektor wollte noch nicht so recht. »Wie wäre es denn, John, wenn du es einmal mit deinem Bumerang versuchen würdest?« Ich hatte die Waffe mitgenommen, denn sie sollte mir in etwa mein Kreuz ersetzen.
»Später, wenn du es nicht schaffen solltest.«
»Ich bin da skeptisch.«
So hatte ich Suko selten erlebt und fragte ihn auch nach dem Grund.
»Das ist ganz einfach«, erklärte er. »Die Peitsche ist nicht allmächtig. Ich werde das Gefühl einfach nicht los, dass sich in diesem Schädel Urkräfte stabilisiert haben, gegen die selbst meine Peitsche nicht ankommt.«
»Das sind Annahmen«, stand Bill mir bei. »Du hast es noch nicht versucht. Oder soll ich schlagen?«
»Nein, nein, das mache ich schon.« Da war Suko eisern. Er holte auch die Peitsche hervor und schlug einmal einen Kreis über den Boden, damit die drei Riemen, aus der Haut des Dämons Nyrana gefertigt, hervorrutschen konnten. Noch schlug er nicht zu. Wir standen hinter ihm wie eine Mauer. In seinem Blick las ich eine Frage und auch eine gewisse Furcht. Was hatte Suko?
Ich schluckte. »Traust du dich nicht?«
»John, es ist schwer, wenn ich es dir erklären soll, aber ich habe das Gefühl, dass es diesmal nicht reicht.«
Sehr schnell verstand ich. Auch Bill hatte begriffen. Er wollte etwas sagen, wurde jedoch von Sheila davon abgehalten. »Nein, lass John«, wisperte sie.
»Wie meinst du das?«
»Ich bin bisher noch niemals zuvor in meinem Leben gegen Luzifer angegangen. Deshalb werde ich das Gefühl nicht los, dass die Peitsche diesmal zu schwach ist.«
»Und du meinst, sie würde es nicht überstehen?«
»So ist es, John. Sie wird irgendwie zerstört. Verstehst du das? Wenn ich zuschlage und die drei Riemen lösen sich dann auf… verdammt, John, ich weiß nicht, was ich da noch machen soll.«
Da hatte er sogar recht. Dennoch war es nur eine Annahme. Vielleicht hätte ich ihm sogar recht gegeben, wäre nicht die große Feuergefahr im Hintergrund gewesen, und so sprach ich noch einmal intensiv auf ihn ein. »Bitte, Suko, tue es! Denk an die Menschen, an das Feuer, an die Toten, die es geben könnte, wenn wir es nicht schaffen. Es ist ein Versuch.«
»Und wenn wir es nicht schaffen?«
»Bin ich an der Reihe.«
»Dann kann die Peitsche zerstört sein.«
Er hatte die Worte sehr langsam ausgesprochen, und wir wussten im ersten Augenblick auch keine Erwiderung. So standen wir da, hatten die Stirn gerunzelt und schauten zu Boden.
»Versuche es trotzdem!« bat ich ihn. »Denk an die Unschuldigen, die eventuell…«
»Okay, John, ich wage es.« Abrupt drehte sich der Inspektor von mir weg, um den rechten Arm anzuheben. Nie hatte er ihn so langsam bewegt.
Ich drückte Suko beide Daumen und ahnte, was in seinem Innern vorging. Jahrelang war die Dämonenpeitsche für ihn eine verlässliche Waffe gewesen. Wenn er jetzt damit zuschlug und die Kraft Luzifers sie
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