Der Flammenengel
liefen aus, schwemmten auch in schmale Rinnen hinein, die wie lange Zungen in die Uferregion zu beiden Seiten des Flusses hineinragten. Suko hatte die Karte mit der linken Hand festgehalten. Mit der rechten deutete er über das schnell fließende Wasser auf den größten Buckel im Fluss.
»Das muss die Insel sein.«
Wir gruppierten uns um den Inspektor, damit wir das Bild auf der Karte mit dem Original vergleichen konnten. Ja, es kam ungefähr hin.
»Aber verdammt weit vom Ufer weg«, bemerkte Bill.
»Nasse Füße werden wir uns schon holen.« Suko faltete die Karte zusammen. »Kommt, wir dürfen keine Zeit mehr verlieren.«
Der Ansicht war ich ebenfalls, und so marschierten wir auf unser Ziel los. Schon bald versanken wir bis zu den Knöcheln im Uferschlamm, der allerdings von anrollenden Wellen weggespült wurde, so dass wir später nur die Kälte des Wassers spürten.
Suko hatte die Führung übernommen. Ich schaute auf seinen breiten Rücken, der plötzlich zusammenzufallen schien, denn mein Freund war in eine heimtückische Rinne getreten.
»Gebt acht!« rief der Inspektor über die Schulter zu uns zurück. »Mir reicht es jetzt schon.« Er zog das Bein wieder hervor und war noch mehr auf der Hut.
Diese Insel war weiter entfernt, als wir es uns ausgerechnet hatten. Querlaufende Wellen störten uns, zudem hörte der sehr flache Uferbereich auf, so dass wir schon bis zu den Knien im Wasser standen. Sheila beschwerte sich auch. Sie fror. Bill hatte die Arme um seine Frau gelegt, damit er sie wenigstens ein wenig wärmen konnte.
»Woran ist dieser David Goldberg eigentlich gestorben?« vernahm ich die Frage des Reporters.
»Keine Ahnung.«
»Vielleicht war es kein normaler Tod, denn das Feuer flammte ja erst nach seinem Ableben auf.«
»Was heißt kein normaler Tod?« erkundigte sich Sheila.
»Er kann ja auf der anderen Seite gestanden und nicht richtig pariert haben.«
»Denkst du an eine magische Rache?«
»Ja.«
Ich hörte den Dialog der beiden zu und hielt mich raus. Sheila und Bill wechselten nur flüsternde Worte. Wir wollten unseren Gegnern nicht unbedingt jetzt schon zu erkennen geben, wo wir uns befanden, falls sie uns nicht schon gesehen hatten.
Die Insel wurde allmählich größer. Sie nahm mein Blickfeld ein. Man konnte sie als relativ lang bezeichnen, dafür weniger breit. Da sie ein Hindernis im Strömungsfluss darstellte, wurde sie zu beiden Seiten vom Wasser umgurgelt. Schaumig lief es an den Ufern der Insel entlang. Ich warf einen Blick nach Westen, wo die Riesenstadt London lag. Dort herrschte eine trügerische Ruhe. Auch den roten Schein entdeckte ich nicht am nachtdunklen Himmel. Ich hoffte inständig, dass sich der gewaltige Brand nicht noch weiter ausgebreitet hatte. Suko geriet im hüfthohen Wasser als erster in den Uferbereich. Er musste sich gegen die Strömung anstemmen, die ihn nach rechts wegdrücken wollte. Unser Freund schaffte es, auch ich hatte bald zu kämpfen und hielt mich an den Zweigen eines dem Wasser entgegengebogenen Busches fest. Mit beiden Händen fasste ich zu, während Suko schon auf dem Trockenen stand und die Beine heftig bewegte. Es war auch verdammt kalt. Ich hatte das Gefühl bekommen, überhaupt keine Füße mehr zu besitzen, trampelte auf und nieder und schlug die Arme gegen meinen Körper.
Suko und ich halfen gemeinsam mit, Sheila an Land zu schaffen. Bill packte die Sache allein. Wir kamen uns vor wie Piraten, die mitten in der Nacht eine Insel überfallen hatten.
Als wir nebeneinander standen und um die Wette zitterten, spürten wir auch den kalten Wind, der gegen unsere Körper wehte und vor allen Dingen in der nassen unteren Hälfte beißend war.
»Nie mehr steige ich freiwillig in die Themse!« beschwerte sich der Reporter.
»Wenn das Feuer kommt, wird dir schon wieder warm!« erwiderte ich sarkastisch.
»Witzbold.«
Wir standen auf weichem Boden. Vor uns wuchs dichtes Buschwerk, das uns eine relativ gute Deckung gab. Wenn sich jemand auf der Insel versteckt hielt, würde er es schwer haben, uns zu sehen. Wir blieben noch einige Zeit stehen, bewegten uns auf der Stelle und sorgten dafür, dass der Kreislauf wieder richtig in Schwung kam.
»Können wir?« fragte ich.
Suko war schon startbereit und hatte die Zweige des Busches zur Seite geschoben. Der Gürtel war ziemlich dicht. Wir halfen uns gegenseitig, ihn zu durchqueren. Dabei mussten wir zudem auf umherliegendes Treibgut achten, dass bei Hochwasser angeschwemmt worden war. Von
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