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Der Flatbootmann

Titel: Der Flatbootmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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ich allein, mit dem Boot doch hinter mir, das Ufer erreiche! Sie würden mein Kanu finden und zerstören, und morgen hätte ich die Aufseher der nächsten Plantagen mit ihren Bluthunden auf meiner Fährte. Meine ganze Flucht war Wahnsinn und hat nur dazu gedient, Euch noch mit in mein Verderben zu reißen.«
    »Unsinn«, brummte Jack zwischen den Zähnen hindurch, »soweit sind wir aber noch nicht, und du kannst doch wenigstens den Versuch machen, zu entkommen. Doch immer besser das Letzte versucht, als sich frei in sein Schicksal zu ergeben.« Das Mädchen schwieg einen Augenblick und senkte den Kopf, endlich sagte sie mit leiser, kaum zum Ohr des jungen Manns dringender Stimme:
    »Ihr habt gesagt, daß wir zusammen fliehen wollen. - Sie werden Euch töten, während ich das Ufer erreiche - ich gehe nicht - ich will mit Euch sterben.«
    Ein eigenes, wunderlich wildes und schmerzliches und doch auch wieder so süßes Gefühl zuckte durch des jungen Burschen Herz bei diesen Worten.
    »Mit mir sterben, Sally? Nun gut dann, Kind - es ist möglich, aber - so weit sind wir noch nicht. Wenn uns der Bursche da drüben zum Äußersten treibt, mag er sich die Folgen dann auch selber zuschreiben, Gnade gibt er nicht und hat sie deshalb auch nicht zu erwarten, und wenn du so gesonnen bist, dann...« Er brach kurz ab, aber ein wildes Feuer glühte in seinen Augen, und doch war in diesem Augenblick auch aller Schmerz, jede Angst von ihm gewichen. Er warf den Kopf zurück, sah das Boot kaum einen Steinwurf weit hinter sich, und drohend klang zugleich des Negertreibers Stimme zu ihnen herüber.
    »Willst du es aufgeben, mein Schatz, und hast du eingesehen, daß du uns nicht mehr entgehen kannst?«
Jack hatte das gar nicht mehr so ferne Land mit den Blicken überflogen, und eine Stelle dort schien ihm die Möglichkeit einer Landung zu gestatten. Fast überall war die Uferbank steil und schroff abgebrochen, nur eine kleine Strecke unterhalb begann eine Sandbank, an deren oberen Teil er hoffen durfte, anzulaufen. Zu gleicher Zeit wandte er den Bug seines Kanus ein klein wenig mehr stromab, und der Aufseher, der am Steuer mit dem Gesicht nach vorn in seinem Boot saß, erkannte zum erstenmal, daß die flüchtige Sklavin nicht allein in dem Kanu sei.
    » Alle Teufel!« rief er aus. »Was ist das? Sind wir einem falschen Kanu gefolgt, oder hat die Dirne noch einen Begleiter bei sich? Darum konnte sie so scharf rudern. Aber warte, mein Herz, dir soll die Lust vergehen, zum zweitenmal davonzulaufen - jetzt bin ich nur begierig, deinen Kompagnon kennenzulernen.«
    »Dessen Bekanntschaft kannst du bald machen, mein Bursche!« rief da Jack, den Bug seines Kanus herumwerfend, daß es gerade gegen die Strömung anhielt, die Büchse hatte er zugleich auf seine Knie gelegt, die Mündung dem kaum noch zwanzig Schritt entfernten Boot zugekehrt - in dieser Stellung konnte er die Waffe mit Sicherheit führen.
    »Verdammnis!« schrie der Aufseher. »Das ist nicht die Stimme eines Niggers - das ist...«
    »Ein guter Freund und alter Bekannter von dir, Kamerad«, rief da der junge Mann, sein Ruder vor sich ins Boot werfend und die Büchse in Anschlag heraufnehmend. »Halte das Kanu einen Augenblick in der Richtung, Sally, bis ich den Burschen da drüben abgefertigt habe - und nun herum mit eurem Bug, ihr Schufte, oder so wahr ein Gott da oben über uns lebt, ich schieße dir eine Kugel durch das Hirn!«
    »Das ist der Bootsmann von dem Flatboot drüben!« schrie der Aufseher, von seinem Sitz emporspringend. »Hundert Dollar, Jungens, wenn ihr den Burschen lebendig fangt, daß ich ihn hängen sehe.«
    Die Neger setzten ihre Ruder mit aller Kraft ein; das Boot sprang bei jedem Schlag, den sie ins Wasser taten, ordentlich nach vorn. Dabei hielt der Steuernde den Bug voll gegen die Seite des Kanus, und Jack durchschaute im Nu die Absicht des Aufsehers. Sobald es ihm gelang, das schwankende Kanu mit dem weit stärkeren, in voller Fahrt herankommenden Boot zu treffen, so mußte es sich füllen und sinken, eine Schußwaffe war dann unbrauchbar, und sie selber im Wasser den Verfolgern rettungslos preisgegeben.
    Das Mädchen hatte den Kopf schaudernd abgewandt; die Stimme ihres Henkers füllte ihr Herz mit Todesfurcht, und nur mechanisch folgte sie dem Befehl ihres Begleiters, den Bug des Kanus noch gegen die Strömung zu halten. Jack dagegen wußte, daß der entscheidende Moment gekommen sei. Das Kanu lag vollkommen still, mit der Strömung langsam

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