Der Fledermausmann
dessen Wangen und Lippen ihm um die Ohren flattern wie die Wäsche auf einer sturmgepeitschten Leine.«
Joseph hielt inne und nickte zufrieden.
»Wäsche auf einer sturmgepeitschen Leine«, wiederholte er. »Das war, verdammt noch mal, nicht schlecht gesagt, Prost.«
Der Boden der Flasche zeigte zum Himmel.
»Mein Höhenmesser zeigte 5000 Fuß an, als wir die Wolkendecke erreichten«, fuhr er fort, als er wieder Luft geschnappt hatte.
»Noch 1000 Fuß, bis wir die Reißleine ziehen sollten. Ich hielt den Schüler fest und behielt meinen Höhenmesser im Auge, für den Fall, daß es eine dicke Wolkenschicht war und wir den Schirm in den Wolken öffnen mußten, aber wir warensofort wieder draußen. Ich spürte, wie mein Herz zusammenzuckte, als ich den Boden auf uns zurasen sah, Bäume, Gras, Asphalt, das alles war wie ein schneller Zoom mit einer Kamera. Ich riß sofort für uns beide die Leine. Wenn bei einem von uns der Hauptschirm einen Funktionsfehler gehabt hätte, dann hätte es niemals mehr für den Ersatzschirm gereicht. Es zeigte sich nämlich, daß die untere Wolkenschicht auf etwa 2000 Fuß gelegen hatte. Die Leute am Boden sind verdammt blaß geworden, als sie uns ohne Schirm aus den Wolken rasen sahen. Dieser dusselige Schüler kriegte zu allem Überfluß dann auch noch Panik, obwohl sich der Schirm geöffnet hatte, und steuerte mit Erfolg in einen Baum. Das ging eigentlich ganz gut, aber er blieb vier Meter über dem Boden hängen, und statt zu warten, bis Hilfe kam, löste er sich aus dem Schirm, stürzte zu Boden und brach sich ein Bein. Er verklagte mich und behauptete, ich hätte nach Alkohol gerochen, und der Verbandsvorstand entschied, mich auf Lebenszeit auszuschließen.«
Joseph erledigte auch Flasche Nummer zwei.
»Was ist danach geschehen, Joseph?«
Er warf die Flasche zur Seite.
»Das hier. Stütze, falsche Kameraden und Wein.« Er hatte begonnen, ein wenig zu lallen. »Sie brachen mir die Flügel, Harry. Ich bin ein Abkomme des Krähenvolkes, ich bin nicht dafür geschaffen, wie ein Emu zu leben.«
Die Schatten im Park waren zusammengekrochen, doch jetzt begannen sie wieder, länger zu werden. Harry wachte davon auf, daß Joseph über ihm stand.
»Ich geh jetzt nach Hause, Harry. Du brauchst vielleicht ja noch einige von den Sachen, die in der Laube liegen, oder?« »Oh, Scheiße, meine Pistole und die Jacke.«
Harry stand auf. Es war höchste Zeit für einen Drink. Nachdem Joseph das Gartenhäuschen abgeschlossen hatte, blieben sie noch einen Augenblick unschlüssig draußen stehen.
»Du rechnest also damit, bald nach Norwegen zurückzukehren?« fragte Joseph.
»Oh, any day now.«
»Ich hoffe, du erreichst beim nächsten Mal dein Flugzeug.«
»Ich wollte heute nachmittag mal die Fluggesellschaft anrufen. Und mich im Büro melden. Die fragen sich bestimmt, wo ich stecke.«
»Verdammt«, sagte Joseph und schlug sich mit der Hand vor die Stirn. Er kramte wieder die Schlüssel hervor. »Ich glaube, in diesem Rotwein ist zu viel Gerbsäure. Der ätzt mir die Gehirnzellen weg. Ich kann mich nie daran erinnern, ob ich das Licht ausgemacht hab, und der Wachmann wird immer stinkwütend, wenn er kommt und das Licht noch an ist.«
Er schloß die Tür auf. Das Licht war aus.
»Hä-hä. Du weißt, wie das ist, wenn man einen Ort so in- und auswendig kennt, laufen Bewegungen wie Lichtausschalten völlig automatisch ab, man denkt einfach nicht mehr darüber nach. Und deshalb erinnert man sich verdammt noch mal nicht daran, ob man . . . is was, Harry?«
Harry war erstarrt und blickte Joseph bestürzt an. »Das Licht«, sagte er bloß, »das Licht war aus.«
Der Wachmann des St. George-Theaters schüttelte verständnislos den Kopf und schenkte Harry Kaffee nach.
»So etwas h-habe ich noch n-nie gesehen. Es ist jeden Abend brechend voll. Wenn sie die Nummer mit der Guillotine machen, sind die Leute richtig hysterisch, sie schreien und machen die wildesten Gebärden. Inzwischen steht d-d-das sogar schon auf dem Plakat: ›Die Todesguillotine – bekannt aus Zeitung und Fernsehen – sie tötet nicht zum ersten Mal . . .‹ Die N-N-Nummer ist jetzt der totale Hit. Wirklich merkwürdig.«
»Wirklich merkwürdig. Die haben also einen Ersatz für Otto Rechtnagel gefunden und spielen genau das gleiche Programm?«
»Mehr oder weniger, ja. Früher waren die ja nicht annähernd so erfolgreich.«
»Wie ist das mit der Nummer, in der die Katze erschossen wird?«
»Die haben sie
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