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Der fliegende Brasilianer - Roman

Der fliegende Brasilianer - Roman

Titel: Der fliegende Brasilianer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edition Diá <Berlin>
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Goursat.
    Alle brechen ihre Unterhaltung ab, große Unruhe macht sich im Salon bemerkbar. Die Frauen stoßen spitze Schreie aus und applaudieren, als der kleine, elegante Herr mit einem Spazierstock in der Hand zusammen mit einem dicken, blonden Herrn hereinkommt. Alberto dankt so offensichtlich schüchtern, dass die besonders Eifrigen, die sich nicht beherrschen konnten und herbeigelaufen sind, um sie aus der Nähe zu sehen und ihm sogar die Hand zu schütteln, etwas zurückhaltender werden.
    Aída, die sich bis dahin abseits gehalten hat, heftet ihren Blick auf den Neuankömmling. Alberto entgeht nicht die junge Dame, die ihn so eindringlich ansieht, dass er, wäre er entflammbar, mit Sicherheit Feuer gefangen hätte. Alberto geht an ihr vorüber, sieht ihr ein paar Sekunden lang in die Augen und geht dann der Gräfin Bouvard die Hand küssen. Dieses ungewöhnliche Ereignis ist Sem nicht entgangen, ein leicht ironisches Lächeln umspielt seine Lippen. Petitsantôs ist nicht ganz blind, und genauso wenig blind ist Hauptmann Ferber, der besorgt Aídas Reaktion beobachtet hat.
    Die alte Gräfin begrüßt die Berühmtheiten mit fröhlicher Herzlichkeit.
    Mein lieber Petitsantôs, welche Ehre. Sie müssen mir alles erzählen, was Sie machen. Wenn Sie wüssten, wie sehr ich gebangt habe, dass Monaco Sie uns rauben würde.
    Petitsantôs hört kaum, was die Gräfin sagt:
    Monaco?
    Ja, Monaco. Hat nicht Fürst Albert Ihnen angeboten, all Ihre hübschen Ballons in seinem Fürstentum einzuquartieren?
    Petitsantôs ist ausgesprochen undankbar, mischt sich Sem amüsiert ein. Als Erstes hat er gleich durch einen Ruck des Schlepptaus seines Ballons Seine Hoheit Fürst Albert in einem Boot zu Fall gebracht.
    Allmächtiger! Und der Fürst?, fragt die Gräfin erschrocken.
    Der Fürst hatte das Gewicht des Taus nicht richtig eingeschätzt, versuchte Petitsantôs zu erklären, und wurde von der Nr. 6 mitgerissen.
    Nr. 6?
    Dem Luftschiff!
    Wie?
    Äh … dem … dem Ballon …
    Ach so!
    Bei einem zweiten Versuch wurde die Nr. 6 mühelos zum Kai geschleppt und dann zum Hangar. Ich war schneller, als es den Anschein hatte …
    Und der Fürst?
    Welcher Fürst?, fragt Petitsantôs die fassungslose Gräfin.
    Man muss wissen, antwortet Sem, mühsam sich das Lachen verkneifend, dass für Alberto das Luftschiff Nr. 6 wichtiger war als das Wohlbefinden des Fürsten von Monaco.
    Die Gräfin Bouvard sieht Petitsantôs unverhohlen tadelnd an.
    Ich verstehe! Petitsantôs mag keine Aristokraten!
    Reizendes Beisammensein  Alberto betritt endgültig den Salon und wird auf der Stelle von Frauen unterschiedlichen Alters umringt. Der Karikaturist Sem begleitet seinen Freund mit amüsiertem Gesichtsausdruck. Die Gruppe folgt Alberto zu einem riesigen, granatroten Taftsofa, wo Alberto Platz nimmt und zum Gesprächsmittelpunkt wird. Sem setzt sich etwas abseits von der Gruppe auf einen Stuhl, von wo aus er bequem überblicken kann, was sich dort abspielen wird. Während er sich setzt, zieht Sem einen Block und einen Kohlestift aus der Tasche und beginnt zu zeichnen.
    Die lächerlichen Pretiosen  Wie aufregend es sein muss, da oben zu sein. Ich würde zwar vor Angst sterben, aber es trotzdem gern einmal ausprobieren. Manchmal habe ich entsetzliche Albträume. Ich fliege. Mein Körper wird ganz leicht, und es kribbelt furchtbar an der Fußsohle. Ich will aufwachen und kann es nicht. Ich fliege durch die Wolken und sehe die Menschen unten so klein wie Ameisen … Meistens wache ich völlig durchgefroren auf.
    Mich graust es vor Höhe, mir wird schon schwindlig, wenn ich nur auf eine Bibliothekstreppe steige.
    Ich liebe Schwindelgefühle.
    Und wie fühlen Sie sich da oben, Petitsantôs?
    Eine ruhige, bedächtige Stimme. Er antwortet. In Pose.
    Tief unten in dem Abgrund, der sich beim Fliegen unter einem auftut, sieht die Erde nicht rund wie eine Kugel aus, sondern wirkt konkav wie eine Schale, bedingt durch ein Verkürzungsphänomen, das den Ring des Horizontes vor unseren Augen ständig ansteigen lässt.
    Das muss doch sehr gefährlich sein! Sie sind sehr mutig, Monsieur.
    Dörfer und Wälder, Wiesen und Schlösser ziehen wie bewegliche Bilder vorbei, und darüber stoßen die Lokomotiven ihr lang gezogenes, schrilles Pfeifen aus.
    Man hört das Pfeifen der Lokomotiven?
    Ja, und auch das Hundegebell. Die menschliche Stimme dringt nicht bis in diese grenzenlose Einsamkeit.
    Und Schwindel, haben Sie keine Schwindelgefühle?
    Nein, dort oben wird mir nicht

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