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Der fliegende Brasilianer - Roman

Der fliegende Brasilianer - Roman

Titel: Der fliegende Brasilianer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edition Diá <Berlin>
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vor einer großen erlesenen, elegant gekleideten geladenen Zuhörerschaft. Das Publikum sitzt auf Stühlen, Sesseln und Puffs in einem großen Salon im Louis-Philippe-Stil, der mit seiner Dekadenz einen gewissen Charme ausstrahlt.
    Draußen fahren Kaleschen und Kutschen vor und lassen ihre glanzvollen Insassen aussteigen, Herren im Frack und Damen mit nacktem, juwelenbehängtem Dekolleté. Die Dunkelheit der Nacht wird durch das flimmernde Licht von im Garten verteilten elektrischen Laternen durchbrochen. Und im Hintergrund leuchtet hell, wie ein Anziehungspunkt für die lärmenden, unbeschwerten Gäste, ein kleines Palais.
    Gleich am Palaiseingang, an einer Treppe, die zum Salon führt, steht ein livrierter Diener in Marteau-Perücke und kündigt mit heiserer, teilnahmsloser Stimme die eintreffenden Gäste an.
    Monsieur und Madame Boulot … Graf und Gräfin de Latour … General und Madame General Fontainebleau.
    Hauptmann Ferber und Madame und Mademoiselle D’Acosta.
    Ancien Régime  Hauptmann Ferber ist ein schlanker, sehr großer Mann mit schmalem Lippenbart, der ebenso stark pomadisiert ist wie sein schwarzes, in der Mitte gescheiteltes Haar. An einem Arm führt er Madame D’Acosta die Stufen herauf, eine reife, prächtig gekleidete Frau mit starken hispanischen Zügen und zierlicher Figur, und an dem anderen Arm ein junges, schwarzhaariges Mädchen mit rassigen Zügen und in schlichtem, hellblauem Kleid. Die Junge zeigt unverhohlen, dass ihr diese Begleitung missfällt, aber die Ältere schimpft immer weiter.
    So ein eigensinniges Mädchen. Wie sie sich angezogen hat, wie eine Gemüseverkäuferin aus der Bronx. Lächerlich! Dabei hat sie so viele neue Kleider!
    Ach, seien Sie nicht so streng, ma chère Madame. Mademoiselle Aída sieht in diesem hellblauen Kleid wie eine Blume aus.
    Wie eine Wiesenblume … ja, so sieht sie aus. Und sie hat dieses Kleid schon auf zwei anderen Festen angehabt. So etwas ist unverzeihlich. Später heißt es dann, wir seien ruiniert.
    Niemand würde wagen, so etwas zu behaupten.
    Siehst du, Mama? Kein Mensch wird denken, wir seien ruiniert. Das sagt Hauptmann Ferber, und er versteht eine Menge von finanziellem Ruin.
    Freches Ding! Setze ich mich hier vielleicht für eine Fremde ein? Ich weiß nicht, wie dieses Mädchen sich das Leben vorstellt …
    Sie treten in den Salon ein und werden von den Gastgebern begrüßt, einem schon recht betagten Ehepaar mit vor lauter Hochmut und engem Umgang mit der Macht glasigem Blick.
    Mein lieber Freund, Graf de Bouvard. Und wie geht es der reizenden Gräfin, strahlend schön und weise wie immer.
    Ferber küsst der Gräfin salbungsvoll die Hand, eine Hand, auf deren Fingern Gold und Diamanten funkeln.
    Und wer sind Ihre entzückenden Begleiterinnen, mein lieber Hauptmann?
    Darf ich Ihnen vorstellen: Madame D’Acosta und ihre Tochter Aída. Graf und Gräfin de Bouvard, sie führen den berühmtesten Salon von ganz Paris …
    Alle begrüßen sich, aber Aída verhält sich gleichgültig.
    Madame D’Acosta, ja, natürlich, sagt der Graf, als er die Millionärin wiedererkennt.
    Bouvard zieht Ferber fast indiskret zur Seite, während Madame D’Acosta unter Aídas gereizten Blicken mit der Gräfin plaudert.
    Der Graf fasst Ferber offensichtlich neugierig am Arm.
    Wie haben Sie das geschafft, Sie Draufgänger!
    Das Mädchen hat keinen festen Verehrer. Der Vater befindet sich in Holland, und Madame hat an mir Gefallen gefunden. Mein lieber Freund, ich stehe kurz vor einem großen Schritt …
    Die Tabakkönigin von Kuba! Jede zweite Zigarre, die in der zivilisierten Welt angezündet wird, stammt aus ihrer Fabrik in Santiago.
    Sie besitzen eine Kollektion Pelzmäntel, mit denen man die Straße bis nach Cap Ferrat auslegen könnte.
    Pelzmäntel? Für den Sommer? Sie müssen diese Damen zivilisieren, mein Freund.
    Gewiss doch, verehrter Graf.
    Und es wird sich für Sie lohnen … materiell …
    Ferber beschränkt sich auf ein Lächeln und lässt seinen Blick über die plaudernden Frauen gleiten, bis er an Aída, die geistesabwesend danebensteht, hängen bleibt.
    Ach, apropos, meine alten Spielschulden …
    Sagen Sie bloß, Sie wollen sie bezahlen!
    Ja, bald, sehr bald. Und mit Zinsen!
    Bouvard lacht ungläubig auf.
    Großer Gott, und ich hatte schon die Hoffnung aufgegeben.
    Ich habe seit jeher auf die Großzügigkeit amerikanischer Familien vertraut!
    Der Diener kündet neue Gäste an:
    Monsieur Albertó Santós Dumont und Monsieur Georges

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