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Der fliegende Brasilianer - Roman

Der fliegende Brasilianer - Roman

Titel: Der fliegende Brasilianer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edition Diá <Berlin>
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zusammen. Ich wuchs heran, und er beobachtete meine Entwicklung mit Interesse. Die anderen waren älter, meine Schwestern waren schon junge Damen. Ich habe immer Spaß an Mechanik gehabt, mich immer mit den Maschinen auf der Fazenda beschäftigt, sie repariert, und ihm gefiel das. Mein Vater war ein sehr praktischer Mann, aber nicht nur das. Hin und wieder schenkte er mir ein Buch von Jules Verne. Er hat mir die ganze Sammlung geschenkt, und ich habe sie alle verschlungen.
    Jules Verne? Ich mag H. G. Wells.
    Als mein Vater seinen Anfall bekam, muss ihm klar geworden sein, dass all sein Vermögen, das er angesammelt hatte, ihm nichts nützte. Geld wurde für ihn zu etwas Törichtem, Nutzlosem. Nicht einmal seine Gesundheit konnte es ihm zurückgeben. Und er versuchte alles Mögliche, bezahlte die teuersten Ärzte von Paris. Ich glaube, damals hat er beschlossen, seine Kinder von der Verantwortung zu befreien, sich ihr Leben lang dafür zu schinden, das zu mehren, was er im Landesinneren von São Paulo unter solchen Opfern zusammengetragen hatte.
    Mir scheint, dein Vater war ein großartiger Mann.
    Er hat Ingenieurwissenschaften in Paris studiert, unter großen Schwierigkeiten, denn er war arm. Ein Patenonkel bezahlte sein Studium, er durfte nicht versagen, er musste all den Versuchungen dieser Stadt widerstehen.
    Der Wagen fährt den Boulevard St. Michel hinauf in Richtung Montparnasse. Die Straßen sind noch immer belebt, überall flimmern Lichter. Aída ist in stummes Nachdenken versunken und blickt auf ihre schlanken Hände, die sie auf dem Schoß zusammenpresst. Alberto hält den Wagen in der Nähe der römischen Thermen an, dort herrscht Halbdunkel, und es sind weniger Fußgänger und Autos unterwegs.
    Ich glaube, ich rede zu viel.
    Nein, ich bitte dich.
    Normalerweise bin ich nicht so, aber …
    Aber?
    Ich weiß nicht … Hm, du weckst in mir Vertrauen … Entschuldige bitte, dass ich so albern bin und dir Privates erzähle …
    Es geht mir nahe.
    Die Geschichte meines Vaters?
    O, nein! Es geht mir nahe, dass du Vertrauen zu mir hast …
    Ich schäme mich zu Tode.
    Aída löst ihre noch immer auf dem Schoß zusammengepressten Hände, hebt eine Hand, zögert leicht und streichelt dann Alberto das Gesicht.
    Ich wollte, ich könnte es eines Tages gutmachen …
    Alberto reagiert mit beherrschter Begierde auf das Streicheln, ergreift aber keinerlei Initiative. Dann fasst er nach der Hand, die ihn liebkost, und küsst sie. Aída zieht ihre Hand ängstlich zurück.
    Warum hast du mir das alles erzählt?
    Warum? Ich weiß nicht … nur so … Vielleicht, weil du fliegen möchtest.
    Fliegen ist für dich sehr wichtig, nicht wahr?
    Ja, das ist es.
    Aber, genau genommen ist es doch absurd.
    Ja, es ist absurd … aber vielleicht weniger absurd, als Geld zusammenzutragen, ohne jedes Risiko …
    Und ohne jedes Abenteuer.
    Ja …
    Deshalb ist mein Leben so traurig.
    Traurig?
    Weil Frauen nicht an Abenteuer denken dürfen.
    Natürlich dürfen sie! Wer hat das gesagt?
    Niemand, aber so war es bislang … Alberto, es ist schon spät …
    Stolz und Vorurteil  Der Wagen steht vor dem Haus am Boulevard Edgar Quinet, in dem Aída wohnt. Die Straße ist wie immer menschenleer, die Straßenlaternen werfen ihr trübes Licht auf die breiten Bürgersteige, und die dicht belaubten Platanen tauchen einen großen Teil der Fassaden in Dunkelheit.
    Alberto steigt aus und öffnet die Wagentür, um Aída herauszuhelfen. Sie geht auf das Haus zu, und Alberto steigt wieder in den Wagen, um abzuwarten, bis das Mädchen verschwunden ist. Aber sie kommt noch einmal hastig zurück.
    Wir haben so viel geredet, dass ich beinah etwas vergessen hätte.
    Ja?
    Ich habe meine Mutter überredet, mich eine Kunstvorlesung an der Sorbonne besuchen zu lassen. Jeden Morgen von zehn bis zwölf. Aber ich habe vor, eine andere Art von Kunst zu studieren.
    Großartig!
    Aus einem Impuls heraus gibt Aída Alberto einen Kuss und läuft davon. Er bleibt wie in Ekstase zurück, mit dem gleichen Gesichtsausdruck wie bei seinen schönsten und waghalsigsten Flügen.
    In den Augen der Freunde  In meiner Gegenwart hat Alberto sich nie negativ über Brasilien geäußert, erinnerte Sem sich ein paar Monate vor seinem Tod. Er sprach wenig über sein Land, obwohl ich immer Interesse gezeigt habe, etwas über die Sitten und das Leben in Brasilien zu erfahren. Wenn man selbst heute, im Jahre 1932, hier so wenig über Brasilien hört, dann kann man sich vorstellen,

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