Der fliegende Brasilianer - Roman
ein, und sie tauschen höfliche Plattheiten aus. Zwei Kellner kommen, um die Bestellung aufzunehmen, und Ferber hat Gelegenheit, seine Kenntnisse der französischen Küche unter Beweis zu stellen. Alles verläuft vollkommen friedlich, und Ferbers Zuversicht wächst, doch da fangen die Pferde draußen an zu wiehern und zu stampfen, und die Kutscher geraten in Aufregung. Des Hauptmanns Zuversicht ist in dem Augenblick dahin, als die Nr. 9 in gefährlicher Nähe der Baumwipfel über die Terrasse schwebt und aller Aufmerksamkeit auf sich zieht.
So aus der Nähe wirkt das bauchige Luftschiff wie eine furchterregende Erscheinung. Die Militärs blicken versteinert auf und überspielen ihre Angst, andere sind, wie Madame D’Acosta, umsichtiger und halten ihren Hut fest. Hauptmann Ferber verzieht nur verärgert das Gesicht und blickt entmutigt hinüber zu Aída, die blass geworden ist, ihre Augen glänzen, und ihr Atem geht schnell. Da ist eine Stimme zu vernehmen:
Bitte, Monsieur.
Aída begreift, dass Alberto den Hauptmann meint, aber dieser sitzt mit so verkrampftem Gesicht da, als bekäme er gleich einen Herzanfall.
Hauptmann … Hauptmann!
Ferber fasst sich und sieht wieder Aída an.
Geht es Ihnen nicht gut?
Doch, doch, es geht mir ausgezeichnet. Ich hätte gern …
Monsieur!
Ich glaube, er möchte mit Ihnen sprechen, Hauptmann.
Mit mir? Ja, bitte?
Ich brauche Ihre Hilfe, Monsieur. Würden Sie bitte das Schlepptau festbinden?
Das Schlepptau?
Ja, das Tau, das vom Ballon herunterhängt.
Ach so! Aber sicher …
Er ergreift das Tau und bindet es an einem Eisengitterzaun fest.
Vielen Dank.
Petitsantôs steigt seelenruhig und mit einem behänden Sprung aus. Dann geht er an Hauptmann Ferbers Tisch vorbei, verneigt sich höflich vor den dreien und begibt sich zu dem Tisch, der für ihn reserviert ist. Der Maître nähert sich vorsichtig, den Blick ständig auf den Ballon gerichtet, der über der Terrasse schwebt.
Einen Calvados, bitte!
Sehr wohl, Petitsantôs.
Der Maître winkt einen Kellner und gibt die Bestellung weiter. Der Calvados wird im Handumdrehen serviert.
Alberto benimmt sich vollkommen ungezwungen und ignoriert die erschrockenen Blicke der Offiziere und Madame D’Acostas tadelnde Miene.
Während er an seinem Calvados nippt, weiß er, dass er genau die Wirkung erzielt, die in seinem Interesse liegt. Er hat nicht damit gerechnet, Aída hier zu treffen, aber fast hat er sich schon an die Gunst des Schicksals gewöhnt. Nachdem er seinen Calvados ausgetrunken hat, nimmt er ein paar Francs aus der Tasche, legt sie auf den Tisch und steht auf. Dann geht er zum Ballon, doch ehe er in die Gondel steigen kann, wird er von Militärs umringt.
Monsieur Santôs, entschuldigen Sie, wenn wir Sie belästigen.
Aber ich bitte Sie, meine Herren!
Meine Kameraden und ich sind tief beeindruckt davon, mit welcher Leichtigkeit Sie diesen Ballon offenbar lenken.
Er ist auch sehr einfach zu lenken. Er ist als Ausflugsballon konstruiert.
Der Offizier lächelt und beeilt sich, Esprit zu beweisen:
Deshalb wird er also allgemein »La Balladeuse« genannt, ja?
Petitsantôs amüsiert sich über die Anspielung:
Diesen Namen hat das Volk sich ausgedacht. Aber womit kann ich Ihnen dienen?
Nun, wie Sie wissen, haben wir am 14. Juli die große Parade.
Ja, natürlich …
Wir haben uns darüber unterhalten und … das heißt … würden Sie mit dem Ballon an der Parade teilnehmen?
Es wäre für uns eine Ehre.
Der Kriegsminister würde sich sehr freuen …
Und der Präsident auch.
Sie sollen sich aber nicht genötigt fühlen.
Nehmen Sie es als eine Anregung.
Die Idee ist großartig. Wenn die Winde am 14. Juli günstig stehen … Wie Sie wissen, meine Herren, sind wir Sklaven der Wetterlage …
Ja, die Wetterlage …
Aber ich werde Ihren Vorschlag bedenken.
Die Errungenschaften der französischen Wissenschaft sollen dem Volk vorgeführt werden. Außerdem werden einige hohe Persönlichkeiten aus dem Ausland anwesend sein …
Ich verstehe.
Er verabschiedet sich von den Offizieren und ist mit einem Satz wieder an Bord der Nr. 9. Sorgfältig überprüft er den Zustand des Ballons, während die Offiziere sich entfernen.
Monsieur!
Ferber, der sich bemüht hat, den ungewöhnlichen Auftritt zu übersehen, schaut nach oben.
Das Tau!
Wie?
Das Tau. Würden Sie es bitte losbinden?
Ferber erhebt sich widerwillig und bindet das Tau los. Alberto lässt den Motor an und hebt brummend ab.
Aída muss einfach ihre
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