Der fliegende Brasilianer - Roman
Hier muss ein Künstler sogar in Wassertropfen Knoten machen können.
Alberto hat zwar gemerkt, dass dem jungen Mann etwas Windiges anhaftet, aber er kann nicht umhin, über den geistreichen Nonsens-Satz zu lachen. Im Übrigen bereitet ihm die angeregte Unterhaltung mit dem jungen Patrocínio Vergnügen. Er besitzt eine zwar wenig kultivierte, aber instinktsichere und lebhafte Intelligenz, eine Seltenheit in diesem Land der Schwätzer, die mit der größten Feierlichkeit törichtes Zeug reden, statt lieber den Mund zu halten. Der junge Neger vermittelt ihm das Gefühl, zum ersten Mal in Rio mit einem lebendigen Menschen zu sprechen.
Tja, mein Lieber, is’ nich so einfach mit die Moneten!
Was? Wie?
Beide lachen los, während die Straßenbahn mit ihrem fröhlichen Volksgeleit die steile Straße hinauffährt.
Der göttliche Schwarze Das Luftschiff »Santa Cruz« wird in einem armseligen Schuppen gebaut. Sämtliche Arbeiter sind Neger, und das Ambiente erinnert an eine jener Hallen, in denen die Karnevalswagen der Sambaschulen gebaut werden. Der schwer kranke und alt gewordene José do Patrocínio sitzt in einem breiten Korbsessel und hat seinen besten Gehrock angezogen. Als er Alberto hereinkommen sieht, steht er mühselig auf. Alberto nimmt ihn bewegt in die Arme.
In seinem Sessel sitzend, rechts und links von ihm Henrique und Carlos Rodrigues, sieht José do Patrocínio stolz zu, wie Alberto minutiös das im Bau befindliche Luftschiff inspiziert. Mit seiner ihm eigenen Genauigkeit lässt er kein Detail aus.
Hervorragende Näharbeit, perfekt, die Stiche sind widerstandsfähig und fast unsichtbar …
Das hat Rosa genäht … Rosa, wo ist Rosa?
Eine winzige, schüchterne, bescheiden gekleidete Negerin erscheint.
Sie haben mich gerufen.
Rosa, dieser Herr hier ist Santos Dumont …
Die junge Frau sieht Alberto fasziniert an.
Wo hast du diese Nähtechnik gelernt?
Das Mädchen antwortet nicht, ihr Blick klebt an Alberto.
Antworte, Mädchen. Was ist denn?
Rosa lächelt und verbirgt ihr Gesicht halb in den Händen.
Sie hilft in der Küche in einem Restaurant in der Rua do Ouvidor.
Sie ist sehr hübsch.
Patrocínio junior merkt, dass Alberto das schöne Mädchen nicht aus den Augen lässt.
Alberto, Sie sollten mal die anderen sehen, die für den alten Herrn arbeiten.
Was ist das für eine Vertraulichkeit, Junge? Wer hat dir das Recht gegeben, so respektlos mit Senhor Santos Dumont zu sprechen. Diese Jugend von heute!
Ach, Papa …
Keine Sorge, Senhor, Zeca spricht mit mir nur so, wie man von Freund zu Freund spricht.
Es ist sehr großzügig von Ihnen, meinen Sohn als Freund zu akzeptieren.
Großzügig? Nein, keineswegs …
O doch, Senhor Santos Dumont … Sie wissen, was ich damit sagen will …
Nein, das weiß ich nicht.
Bitte, Papa.
Wir müssen doch zugeben, mein Sohn, dass nur ein Mann wie Senhor Santos Dumont es wagt, sich als Freund von einem von uns zu bezeichnen.
Warum?
Warum? Sieh ihn an, und sieh uns an. Leider ist das die Wahrheit, hier in Brasilien bezeichnen sich Männer wie wir, wenn die Intoleranz mal wegfällt, höchstens als Bekannte. Aber nie als Freunde.
Ich verstehe …
Verlegenes Schweigen breitet sich in der Halle aus. Alberto sieht sich wieder das Luftschiff an. Ein anderes Mädchen von atemberaubender schwarzer Schönheit kommt mit eisgekühltem Champagner und Gläsern herein. Patrocínio junior übernimmt es, den Champagner zu öffnen. Als der Korken geknallt hat und die Gläser gefüllt sind, erhebt sich José do Patrocínio aus seinem Sessel und greift nach einem Glas.
Papa, denk daran, was der Arzt gesagt hat!
Ach, Ärzte! Ärzte!
José do Patrocínio hebt das Glas und bringt einen Toast aus.
Auf den Traum, auf die Wolken …
Er trinkt und bekommt einen Hustenanfall mit leichtem Blutauswurf, der das Taschentuch, mit dem eines der schwarzen Mädchen ihm liebevoll den Mund abwischt, rot färbt.
Ist schon wieder gut … Möge Gott mir nur noch ein Jahr geben … nur ein Jahr noch … und dann leb wohl, Erde! Dann ist er weg, der Zé do Pato … weit, weit weg, wo er Gottes Luft atmet …
Alle sehen bewegt zu. Alberto geht zu José do Patrocínio und umarmt ihn lange. Dann gehen beide zusammen zu dem Ballongerüst.
Wie schwierig alles in diesem Land ist, Senhor Santos Dumont.
Träume kosten überall viel.
Aber hier muss man doppelt bezahlen.
Mag sein, aber ich weiß, dass Sie nicht aufgeben werden.
Nein, das tue ich nicht, aber vielleicht
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