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Der fliegende Brasilianer - Roman

Der fliegende Brasilianer - Roman

Titel: Der fliegende Brasilianer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edition Diá <Berlin>
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besiegt mein alter Widersacher mich vorher.
    Fliegen bedeutet Ihnen sehr viel, nicht wahr?
    Wenn ich ehrlich sein soll, ist es nicht so sehr das Fliegen, sondern was es bedeutet. Überlegen Sie doch, Senhor Santos Dumont, ein Schwarzer fliegt am Himmel des Landes, das als letztes die Sklaverei abgeschafft hat! Ein Schwarzer, der den blauen Himmel von Rio de Janeiro besudelt!
    Vielleicht ist deshalb dieses Ruder so perfekt, Senhor José do Patrocínio, so perfekt …
    Ja, das Ruder …
    Und José do Patrocínio lächelt glücklich. Aber kurz darauf wird die Ruhe durch Stimmengewirr am Halleneingang gestört. Eine Gruppe herausgeputzter Bürger drängt herein, von dem Anblick so vieler Neger im Raum sichtlich angeekelt.
    Eine Kaufmannsvereinigung …
    Alberto sucht bei seinem Bruder Zuflucht.
    Zeit für die Abreise nach Paris.
    Die Fesseln der Rhetorik  Ein Mann im Frack mit schmalem Oberlippenbärtchen hält eine Rede. Dem Blätterstapel nach zu urteilen, der vor ihm liegt, wird es eine lange Rede. Schläfrig, mühsam Interesse vortäuschend, das er nicht hat, und ebenfalls mit einem Frack mit steifer Hemdsbrust bekleidet, rutscht Alberto auf einem vergoldeten Stuhl hin und her. Rings um den Luftfahrer sitzt, gleichfalls auf vergoldeten Stühlen, ein erlesenes Publikum in einem fast bis auf den letzten Platz gefüllten, üppig geschmückten Saal. An der Wand hinter dem langatmigen Redner hängen die Fahnen von Frankreich und Brasilien. In der Reihe, deren Mittelpunkt Alberto bildet, sitzen Sem, Antônio Prado, dessen Gemahlin, Cristina Penteado und ein älteres Paar, der Graf D’Eu und die Gräfin D’Eu. Der Redner mit den theatralischen Gesten ist der französische Staatspräsident. Wir befinden uns im Jahr 1905.
    Als der Präsident endlich seine Rede beendet, erheben sich alle und klatschen Beifall, dann betritt den Raum ein steifer Diener mit einem roten Kissen, auf dem die Schärpe und die Medaille der französischen Ehrenlegion liegen.
    Alberto tritt ein paar Schritte vor und bleibt genau vor dem französischen Präsidenten abwartend stehen. Dieser ergreift vorsichtig die Schärpe und legt sie Alberto um. Dann nimmt er die Medaille, befestigt sie an Albertos Frack und küsst ihn auf die Wangen. Tosender Beifall brandet im Saal auf, bis Alberto beschließt, sich für die Ehrung zu bedanken. Er spricht ein halbes Dutzend förmliche Worte.
    Ehrungen und Herausforderungen  Chapin kann den französischen Staatspräsidenten perfekt imitieren. Wenn er mit seiner Parodie auf die feierliche Ordensverleihung der Ehrenlegion an Petitsantôs beginnt, hören alle zu arbeiten auf und lachen über die Pantomime. Am meisten amüsieren sich die Mechaniker, wenn Petitsantôs persönlich den von Chapins endloser Schwafelrede Gelangweilten spielt und ihm den Mund zuhält. Während einer solchen Juxvorführung erscheint ein blonder, athletisch gebauter junger Mann von 26 Jahren mit einer Aktentasche voller Papiere unter dem Arm in Neuilly. Er ist bescheiden, doch in seiner Weise nach der Petitsantôs-Mode gekleidet.
    Oh, wir haben Besuch. Was führt Sie her, junger Mann?
    Entschuldigen Sie … vielleicht hätte ich …
    Machen Sie sich deshalb keine Gedanken, wir sind wirklich alle durchgedreht.
    Ich suche Senhor Santos Dumont.
    Falls es um Arbeit geht, hier ist keine Stelle frei.
    Das bin ich, was wünschen Sie?
    Mein Name ist Gabriel Voisin … Ich möchte Ihnen ein paar Pläne zeigen.
    Voisin, Voisin … der Name kommt mir bekannt vor …
    Ich habe mit Freynet und Godefroy gearbeitet. Ich führe mit meinem Bruder zusammen eine Autowerkstatt in Paris.
    Voisin, ja, natürlich … Sie haben einen Gleitflieger konstruiert, richtig?
    Sie sind wirklich so gut informiert, wie man mir gesagt hat.
    Ich bin nur ein Fanatiker …
    Die anderen Techniker beobachten das Gespräch mit einer gewissen Feindseligkeit, was Alberto nicht entgeht.
    Was ist, wollt ihr nicht mehr arbeiten?
    Arbeiten? Woran?
    Ist gut … dann sehen wir uns mal die Pläne an …
    Voisin öffnet seine Tasche und breitet die Papiere auf einem Tisch aus. Alle beugen sich über die Zeichnungen, und Chapin, der Eingebildetste von allen, nimmt schließlich Stellung.
    Aber das, also, das sind ja Drachen, Spielzeug für Kinder …
    Alberto bringt Chapin mit einem strafenden Blick zum Schweigen.
    Zwischenkriegszeit  Ich war noch sehr jung, sollte sich Gabriel Voisin erinnern, aber ich wusste, wie bedeutend Alberto war. Eines Tages nahm ich all meinen Mut

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