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Der fliegende Brasilianer - Roman

Der fliegende Brasilianer - Roman

Titel: Der fliegende Brasilianer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edition Diá <Berlin>
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schneidend in die Nase ein, weckt das Gehirn und fordert die Körpermuskeln zur Tat heraus, so wie die kalte Dusche am Morgen durch den Temperaturschock den Kreislauf in Gang bringt und den Verstand mobilisiert. Fast instinktiv zieht Voisin die Winterluft tief ein und geht zu dem Auto, in das Alberto sich geflüchtet hat. Seine Achtung vor Alberto, vor dem Wagemut und der Furchtlosigkeit dieses Brasilianers gewinnt immer wieder die Oberhand über alle Zwistigkeiten in ihrer stürmischen, an Reibungen reichen Partnerschaft. Alberto ist launisch, Voisin ist geduldig und beharrlich. Der Brasilianer steht unter Druck, alles drängt ihn, seine eigenen Rekorde zu überbieten, aber da ist noch etwas jenseits dieses Drucks, den die Umwelt ausübt. Und Voisin will wissen, was das ist, denn sein Fliegerschicksal hängt von dem Erfolg seiner Zusammenarbeit mit Alberto ab. Aber der Brasilianer ist nicht einfach im Umgang. Vorsichtig geht Voisin auf das Auto zu. Aber als Alberto merkt, dass er näher kommt, fährt er an und verschwindet zwischen den kahlen Pappeln, die die Straße nach Paris säumen.
    Das Tier im Menschen  Albertos elektrisches Auto hat in einer engen Straße im Viertel Pantin gehalten, er ist ausgestiegen und anschließend in ein heruntergekommenes Mietshaus mit Einzelzimmern gegangen. Den einfachen Hauseingang versperrt fast ganz eine Barriere von Abfalltonnen, und die Treppe ist so alt und wurmstichig, dass sie jeden Augenblick einzustürzen droht. Alberto ist vor einer Tür stehen geblieben, hat auf einem Umschlag nachgesehen, den er aus der Jackentasche gezogen hat, die Nummer verglichen und geklopft. Eine alte, ärmlich gekleidete Frau öffnet die Tür und lässt ihn mit zweideutigem Lächeln, das sowohl Unterwürfigkeit als auch Verschlagenheit bedeuten kann, herein. Aber Alberto scheint es nicht zu bemerken.
    Wo ist sie?
    Die Alte deutet auf eine mit verschmutzten und geflickten Laken abgetrennte Ecke des ärmlich möblierten Raumes. Er zieht den Lakenvorhang zurück und erblickt auf einem von Grünspan dunkel gewordenen Messingbett die schlafende Nana Lantelme. Sie wird zunächst nicht wach, und er wendet sich wieder leise an die Alte.
    Wer sind Sie?
    Ich bin ihre Mutter.
    Ihre Mutter? Sie hat mir nichts davon erzählt, dass sie mit ihrer Mutter zusammenlebt.
    Wir sind arm, Monsieur … Sie schämt sich meiner …
    Was ist hier los?
    Lieben Sie sie, Monsieur?
    Wie bitte?
    Ich habe gefragt, ob Sie meine Tochter lieben.
    Wenn ich ehrlich sein soll, Madame, wir kennen uns kaum.
    Die Alte verzieht böse das Gesicht und fängt an zu zetern.
    Sie kennen meine Tochter kaum. Immer dasselbe. Die Männer sind alle gleich …
    Bitte, Madame …
    Wenn Sie meine Tochter nicht lieben, sie kaum kennen, was wollen Sie dann hier? Was für eine Erklärung haben Sie dafür?
    Ich habe diese Karte erhalten …
    Nana Lantelme kommt dazu, sie ist zerzaust und wirkt kraftlos, als wäre sie krank.
    Bitte, Mama. Lass uns bitte allein, ja?
    Die Frau zieht einen verwaschenen Mantel an, setzt einen Hut auf und knallt beim Gehen die Tür zu.
    Sie müssen meine Mutter entschuldigen, sie hat es sehr schwer gehabt.
    Aber … aber was ist denn los?
    Das erkläre ich gleich, wenn Sie so viel Geduld haben. Setzen Sie sich …
    Alberto setzt sich auf einen alten Holzstuhl, und sie lässt sich in einem ausgeblichenen, überall aufgerissenen Sessel nieder.
    Ich bin so schnell wie möglich gekommen … Ihre Nachricht hat mich beunruhigt.
    Beunruhigt oder neugierig gemacht?
    Alberto reagiert mit gereiztem Gesichtsausdruck.
    Pardon, ich wollte Sie nicht kränken. Wenn man einen Menschen um Hilfe bitten will, darf man ihn nicht kränken.
    Wenn Sie sich etwas deutlicher ausdrücken würden, Mademoiselle …
    Ich bin krank, Alberto. Und ich habe niemanden, an den ich mich wenden kann.
    Sie sind krank. Ist es schlimm?
    Das weiß ich nicht, der Arzt hat noch nichts feststellen können.
    Aber Sie sind doch eine berühmte Schauspielerin. Warum wenden Sie sich an mich?
    Ich bin noch nicht berühmt, ich fange erst an. Meine Mutter und ich sind vor zwei Jahren nach Paris gekommen. Wir hatten eine Lavendelplantage in der Gascogne, aber mein Vater hinterließ bei seinem Tod einen Schuldenberg, man hat uns alles weggenommen. So sind wir in Not geraten …
    Sie arbeiten doch in einem Theaterstück?
    Aber nicht mehr, wenn man erfährt, dass ich krank bin.
    Alberto sieht sich um, er ist sprachlos, hilflos, zum ersten Mal erlebt er eine solche

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