Der Fliegende Holländer
eben.«
»Leider bin ich immer zu beschäftigt gewesen, um Zeit für derlei Vergnügungen zu finden«, entgegnete der Professor, und der Klang seiner Stimme verriet, daß er nicht wirklich verstand, worüber der Fliegende Holländer mit ihm diskutieren wollte – ähnlich wie sich Vanderdecker gefühlt hätte, wenn er von jemandem als Opfer ausgesucht worden wäre, um ernsthaft über die bevorstehende Weltmeisterschaft im Flohhüpfen zu diskutieren.
»Sie meinen, Sie sind wirklich immer zu beschäftigt gewesen?«
»Ja.«
»Mit der Arbeit?«
»Ja.«
»Ich verstehe.« Vanderdecker verstand überhaupt nicht. Trotz seines langen Leidenswegs hatte er wenigstens alle sieben Jahre ein paar Tage frei gehabt. Er fragte sich, ob es überhaupt einen Sinn machte, diese Unterhaltung fortzuführen, da er stark bezweifelte, ob es außer einer vagen Grundlage gemeinsamer Erfahrungen mit seinem alten Bekannten irgendwelche Berührungspunkte gab.
Der Professor blickte Vanderdecker verunsichert an. »Ich nehme an, daß ich mich bei Ihnen und Ihrer Mannschaft entschuldigen muß.«
Vanderdecker seufzte und schüttelte den Kopf. »Ach, vergessen Sie’s. Kann sein, daß ich Ihnen noch vor zweihundert Jahren den Hals hätte brechen wollen, aber selbst Groll wird mit der Zeit stumpf wie die Klinge eines Schweizer Taschenmessers. Außerdem haben wir beide schuld.«
»Das ist sehr zuvorkommend von Ihnen«, bedankte sich der Professor. »Ich weiß nicht, ob ich eine solch vernünftige Sicht der Dinge angenommen hätte, wenn ich in Ihrer Lage gewesen wäre.«
»Machen Sie sich nichts draus. Außerdem sind Sie in derselben Lage wie wir, jedenfalls in gewisser Weise.« Vanderdecker wandte sich ab und blickte aus dem Fenster. Schafe. Nicht sehr spannend.
»Allerdings gibt es da noch etwas …«, sagte der Professor leicht nervös.
»Ja?«
»… Ihre Lebensversicherung. Haben Sie mal darüber nachgedacht …?«
»Ach so, die …«, erinnerte sich Vanderdecker. »Was ist damit?«
»Nun, wie Sie möglicherweise wissen, gehört die Bank, die das Risiko trägt, zufällig mir, und mir kam in den Sinn … falls im Kraftwerk etwas … nun ja, Unvorhergesehenes passieren sollte …«
»Ich verstehe«, entgegnete Vanderdecker, wobei er versuchte, nicht zu grinsen. »Ja, natürlich, dann wäre eine Auszahlung fällig, nicht wahr? Ganz schön unangenehm für Sie, nehme ich an. Aber so ist das in der Versicherungsbranche nun mal.«
Der Professor rümpfte die Nase. »Ich hab mich jedenfalls schon gefragt, wer Anspruch auf die Prämie hat. Ich nehme an, daß Sie nicht zufällig ein Testament verfaßt haben, oder?«
»Nein, das hab ich allerdings noch nicht getan«, antwortete Vanderdecker beherrscht. »Ziemlich unverantwortlich von mir, ich weiß, aber es schien mir wirklich nicht vordringlich zu sein. Tja, und heute ist es wohl ein bißchen zu spät dafür, finden Sie nicht? Außerdem konnte ich mit Rechtsanwälten oder Notaren noch nie viel anfangen. Oder haben Sie in all den Jahren auch nur einen einzigen Anwalt kennengelernt, dem Sie im Brandfall freiwillig das Leben gerettet hätten? Ich nicht.«
Der Professor verzichtete auf einen Kommentar und fuhr fort:
»In dem Fall würde der Erlös, da Sie keine nächsten Verwandten und keine testamentarischen Erben haben, voraussichtlich an die Staatskasse desjenigen Landes gehen, dessen Bürger Sie sind. Wäre das Holland, wissen Sie das?«
»Keine Ahnung«, gestand Vanderdecker ein. »An Ihrer Stelle würde ich das den Fachleuten überlassen. Ich kann zwar Ihren Wunsch nachvollziehen, daß ich ein Testament aufsetze, aber ich halte die vierzig Pfund, die ich dafür ausgeben muß, damit entschieden wird, was nach meinem Tod geschieht, für nichts anderes als reine Verschwendung guten Biergelds. Außerdem geht mich das auch überhaupt nichts an, oder? Ich meine, ich werde den Spaß logischerweise nicht miterleben können, also schert es mich auch einen Teufel, ob die holländische Regierung oder die Lombard-Regierung …«
»Es gibt keine Lombard-Regierung mehr«, warf der Professor ein.
»Ach nein? Ist mir egal, ich lese sowieso nur die Sportseite. Dann eben die italienische Regierung, wen interessiert das, schon? Ich wünsche denen jedenfalls viel Glück und hoffe, daß sie nicht alles für Kriegsschiffe verplempern.«
»Wenn es Ihnen wirklich so gleichgültig ist«, sagte der Professor geduldig, »dürfte ich dann vorschlagen, daß Sie die Police der Bank zurückübertragen? Das würde
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