Der Fliegende Holländer
nämlich eine Menge Probleme ersparen, müssen Sie wissen, insbesondere der Weltwirtschaft und so.«
»Kann ich das denn so einfach machen?« erkundigte sich Vanderdecker neugierig. »Ich meine, einfach so bestimmen, wer das Geld bekommen soll?«
»Ach, das ist ganz einfach«, ereiferte sich der Professor. »Dazu müßten Sie lediglich das kleine Feld auf der Rückseite der Police ausfüllen. Es sei denn, Sie haben das bereits getan.«
»Das weiß ich nicht«, gestand Vanderdecker ein und begann nach langer Zeit wieder einmal in seiner Brieftasche herumzuwühlen. Diesmal entdeckte er eine Eintrittskarte für die Uraufführung der Aida (verschlafen), eine Ausleihquittung der Bibliothek (»Mein Gott! Da wird einiges an Bußgeld zu zahlen sein«, bemerkte Vanderdecker), einen Mitgliedsausweis für das White’s Coffee House und eine weiße Fünfpfundnote, bis er endlich das eigentliche Dokument zutage förderte.
»Und wo ist dieses Feld, von dem Sie gesprochen haben?« fragte er den Professor, während er die Police aufmerksam durchlas. Der Professor zeigte ihm die Stelle, und sie war leer.
»Einfach hier?«
»Richtig«, ermunterte ihn der Professor.
»Und ich fülle es einfach aus, richtig?«
»Ganz genau, mein lieber Freund.«
»Haben Sie einen Schreiber?«
Der Professor holte einen Füller aus seiner Jackentasche hervor.
»Irgendwas zum Drunterlegen?«
»Hier«, sagte der Professor ungeduldig und reichte ihm ein Buch mit mathematischen Tabellen. Vanderdecker dankte ihm, schrieb etwas in das Feld und setzte mit einer schwungvollen Bewegung seine Unterschrift darunter. Der Professor blickte ihm über die Schulter und starrte Vanderdecker dann ungläubig an. Obwohl die Handschrift des Fliegenden Holländers normalerweise ungefähr so lesbar war wie die hastig mit links geschriebene Schönschrift eines Betrunkenen, konnte der Professor klar erkennen, daß Vanderdecker im Feld ›Nutznießer der Versicherung‹ Jane Doland eingetragen hatte.
»So, das wär’s«, stellte Vanderdecker zufrieden fest. »Wir sollten das Dokument lieber an einem sicheren Ort aufbewahren. Gut, daß Sie mich überhaupt an die Police erinnert haben, sonst hätte ich sie noch in meiner Brieftasche gehabt, wenn wir ins Kraftwerk hineingehen, und ich kann mir nicht vorstellen, daß sie das lange überstehen würde. Wenn ich daran denke, daß ich dieses Ding die ganzen Jahre über mit mir herumgeschleppt hab, grenzt es sowieso schon an ein Wunder, daß es so lange überlebt hat.« Er dachte nach. Dann steckte er die Police wieder in die Brieftasche zurück, begab sich nach vorn und wechselte ein paar Worte mit dem Piloten.
»Jetzt ist alles in bester Ordnung«, sagte Vanderdecker, während er sich wieder neben den Professor setzte. »Ich hab dem Piloten gerade erklärt, daß er, falls ich nicht zurückkomme, die Police an Moss Berwick schicken soll, zu Händen Jane Doland. Ich kenne nämlich ihre Adresse nicht, aber ich denke, daß es sie dort ebenso erreichen wird. Ich meine, wenn man Buchhaltern nicht mal mehr trauen kann, wem dann?«
»Aber … aber Sie haben …«, stammelte der Professor.
»Wissen Sie, es war wirklich gut, daß Sie die Police erwähnt haben«, fuhr der Fliegende Holländer fröhlich fort. »Um ganz ehrlich zu Ihnen zu sein – und ich sage das natürlich im strengsten Vertrauen –, glaube ich, daß Miß Doland von ihrem Beruf als Buchhalterin die Nase gestrichen voll hat und daß sie nichts dagegen einzuwenden hätte, auf eigenen Beinen zu stehen. Ich kann mir gut vorstellen, daß ihr eine solch nette kleine Erbschaft bestimmt ganz gelegen käme. Obwohl ich fürchte, daß sie Erbschaftssteuern zahlen muß. Ach, ich hab schon wieder ganz vergessen, daß sie ja selbst Buchhalterin ist – die kennen sich mit so was aus. Damit wäre dann ja alles unter Dach und Fach.«
»Ist Ihnen eigentlich klar, was Sie da gerade getan haben, Vanderdecker?«
»Sicher.«
»Nein, ganz offensichtlich nicht.«
»Und ob mir das klar ist«, widersprach Vanderdecker mit breitem Grinsen. »Ich hab die wirtschaftliche Zukunft der freien Welt Jane Doland anvertraut. Als ich noch ein Kind war, gehörte zur freien Welt alles, was Philipp von Spanien noch nicht in die Hände gefallen war, und das war herzlich wenig. Das zeigt doch, daß sich die Dinge nicht sehr viel verändert haben, stimmt’s? Alles in allem denke ich jedoch, daß Philipp besser war als Sie. Nehmen Sie es mir nicht übel. Wenigstens hatte er außer seiner Arbeit noch
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