Der Fliegende Holländer
prallte. Vanderdecker zuckte leicht zusammen.
»Und wohin sind Sie unterwegs?« fragte er so beiläufig wie möglich.
»Nach Dounreay«, antwortete der Deutsche vergnügt. »Wir wollen dort das Atomkraftwerk lahmlegen.«
»Prima«, entgegnete Vanderdecker. »Aber ist es nicht ein wenig unsinnig, ein ganzes Atomkraftwerk in die Luft zu sprengen?«
»Wer hat denn was von in die Luft sprengen gesagt?« fragte der Deutsche. »Wir wollen Tulpen in die Abflußrohre stopfen.«
»Was für ein toller Einfall!« ereiferte sich Vanderdecker mit seinem normalerweise für Antonius vorbehaltenen Lächeln. »Na, dann wünsch ich Ihnen allen viel, viel Glück. Haben Sie denn überhaupt genug?«
»Genug was?«
»Na, Tulpen.«
»Ja klar, Tulpen haben wir im Überfluß.« Voller Stolz deutete der Deutsche mit dem Arm auf die ferne Silhouette der Erdenkrieger. »Das ganze Schiff ist bis obenhin mit Tulpen voll.«
»Ist das nicht toll!« rief Vanderdecker, wobei er für einen kurzen Moment fürchtete, seine Mundwinkel könnten sich vor lauter Antonius-Lächeln im Nacken treffen und dabei das Gesicht wie ein Reißverschluß in zwei Hälften trennen. Dann kam ihm plötzlich eine Idee. »Wenn Sie schon nach Dounreay fahren, könnten Sie mir eigentlich einen kleinen Gefallen tun«, bat er seinen Kollegen.
»Gern.«
»Haben Sie Farbe dabei?« fragte Vanderdecker.
»Ja, natürlich. Jede Menge.«
»Rote Sprühfarbe?«
»Ja«, bestätigte der Deutsche. »Humbrol.«
»Könnten Sie dann nicht für mich irgendwo dort eine kurze Parole an die Wand sprühen? Wenn Sie möchten, schreib ich sie Ihnen gern auf.«
So kam es, daß Martha, Jo und der Deutsche eine zwar dilettantisch ausgeführte, optisch aber äußerst auffällige Parole an der Grundstücksmauer des Kraftwerks von Dounreay hinterließen, bevor sie schließlich von Polizeikräften aus Sutherland und Caithness in Transporter verfrachtet wurden.
ES IST NICHT ALLES GOLD, WAS GLÄNZT, stand dort zu lesen. MONTALBAN, DU STINKST! GRUSS, VANDERDECKER.
7. KAPITEL
Gerald – Sie erinnern sich doch noch an Gerald? – war verwirrt. In der Hand zerquetschte er den Plastikbecher zu einem stachligen Ball und warf ihn in den Papierkorb, wo er von einem Haufen Aktionärsrundschreiben abprallte und auf den Boden unter seinem Drehstuhl rollte.
Gerald war nicht der einzige im Banken- und Börsenviertel von London, der stark verwirrt war. Wir greifen ihn nur stellvertretend heraus, weil er uns bereits vorgestellt wurde und wir wissen, welch ausgeglichener Bursche er normalerweise ist. Wenn Gerald etwas nicht versteht, dann muß es sich um etwas Merkwürdiges handeln.
Und so war es auch. Dem Dollar war etwas höchst Unerfreuliches zugestoßen, und Gerald gefiel das überhaupt nicht. Das Verhältnis zwischen ihm und dem Dollar war so ähnlich wie das in Emily Brontes Roman ›Sturmhöhe‹ zwischen den beiden Hauptpersonen Heathcliff und Cathy, obwohl man im allgemeinen nur schwer entscheiden konnte, wer zu welcher Zeit wem entsprach. Wenn irgend etwas dem Dollar zu schaffen machte, dann machte das auch Gerald zu schaffen. Das war wie Telepathie.
Am nächsten Schreibtisch geriet Adrian böse mit der Deutschen Mark aneinander, während Imogen mit dem Yen nichts mehr zu tun haben wollte und nun bei einer Tasse Zitronentee eine kurze Verschnaufpause einlegte. In dem Wolkenkratzer aus Glas und Beton, in dem auch die Börsenmaklerfirma Marshall Price Butterworth ansässig war, verhielten sich im Grunde alle Beschäftigten wie Ameisen, deren Königin gerade gestorben war; es herrschte große Geschäftigkeit, aber es gab kein einheitliches Ziel. Wie ein Damoklesschwert hing über dem ganzen Unternehmen die erschreckende Aussicht, daß die gesamte Belegschaft ihr Mittagessen abschreiben könnte, wenn nicht bald etwas passierte. So unvergleichlich schlimm war die Lage.
Dabei fing der Schwarze Donnerstag, wie er seither genannt wird, ganz normal an. Zwar nahm der Abbruch der Friedensgespräche im Mittleren Osten dem Öl etwas den Glanz, und durch unterschwellige Ängste der Wallstreet vor einer möglichen Wiedereinsetzung der Jakobiten fiel das Pfund gleich zu Börsenbeginn um zwei Cents. Doch die erfreulichen Bilanzen auf dem Bank- und Versicherungssektor halfen der Außenhandelsbörse, den Wert des Pfunds wieder etwas zu heben. Nur die verlorenen Seelen, deren Geschäft es war, die schwindelerregenden Fortschritte des Hang Tseng zu verfolgen, hatten alles andere als einen ganz normalen
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