Der Fliegende Holländer
schiffbrüchig?«
Martha blinzelte. »Ob wir was sind?«
»Schiffbrüchig«, wiederholte die Stimme.
»So was brauchst du bei mir erst gar nicht zu versuchen, Freundchen«, drohte Martha. »Wir kommen jetzt längsseits. Versucht ja nicht, uns daran zu hindern!«
Der größere der beiden Männer starrte sie mit verblüfftem Gesichtsausdruck an. »Sie wollen wirklich längsseits kommen?« fragte er.
»Ja.«
»Jeder, wie er will«, entgegnete der größere Mann. »Soll ich Sie mit der Leine einholen?«
Martha wollte darauf schon wieder etwas antworten, aber Jo erklärte ihr, daß es sich dabei ebenfalls um Seemannssprache gehandelt habe. »Er will uns ein Tau runterlassen«, flüsterte sie.
»Ein was?«
»Er will uns ein verdammtes Seil herunterlassen!« schrie Jo.
»Stimmt«, bestätigte der Mann auf dem Schiff. »Ich will Ihnen ein Seil runterlassen. Das heißt, wenn Sie wollen. Mir ist das völlig egal.«
Martha blieben nur wenige Sekunden, um sich zu entscheiden, ob es sich dabei nur um eine einfache oder gar um eine doppelte Hinterlist handelte. Sie entschied sich für die doppelte.
»Dann laß schon runter, du Trottel!« schrie sie. »Wirst schon sehen, was du davon hast.«
»Ihre Freundin ist nicht besonders höflich, wie?« erkundigte sich der Mann auf dem Schiff bei Jo und warf den beiden Freundinnen der Erde ein Tau zu, das Martha auffing und am Boot festmachte. Dann zog sie sich zusammen mit Jo an das Schiff heran. Aber es gab beim allerbesten Willen der Welt nichts, absolut nichts, an das sie sich mit den Handschellen anketten konnten, bis auf die Reling, die an der Bordkante rund ums Schiff verlief. Martha dachte an den sauren Regen und die Wale und machte sich daran, rasch am Seil hochzuklettern.
»Moment!« rief der Mann auf dem Schiff. »Das Tau ist naß. Sie rutschen ab und fallen ins Wasser.«
Er hatte recht.
Inzwischen hatten sich einige weitere Männer zu ihm gesellt. Offenbar gab es an Bord zwar hämisches Gelächter, aber keine Schläuche. Martha hingegen amüsierte sich überhaupt nicht. Mit Schläuchen war sie vertraut. Sie wußte ganz genau, wo die bei Angriffen auftauchten. Aber hier schien sie niemand ernst zu nehmen.
»Komm, Jo«, keuchte sie, als sie sich wieder ins Boot zog und erneut das Tau packte. Sie war jetzt wütend, frustriert, beschämt und vor allem naß. Außerdem sagte ihr eine leise Stimme im Hinterkopf, daß die Wale langsam mal lernen sollten, auf sich selbst aufzupassen. Wozu ist die verdammte Evolution denn sonst überhaupt gut? Martha strafte die Stimme mit der Verachtung, die sie verdiente. »Du hast wohl Angst, was?«
»Nein«, entgegnete Jo. »Ich klettre lieber die Leiter rauf.«
»Welche Leiter?«
»Die Leiter, die sie grade runtergelassen haben«, antwortete Jo und stieg aus dem Boot.
Vanderdecker konnte gerade den ›Was kann ich‹-Teil von ›Was kann ich für Sie tun?‹ über die Lippen bringen, als sich auch schon die kleinere der beiden Besucherinnen flink und gänzlich unerwartet an die Reling kettete. Die zweite folgte ihrem Beispiel, nach Vanderdeckers Dafürhalten allerdings ziemlich widerwillig.
»Ist irgendwas nicht in Ordnung?« fragte er.
Von der Brücke der Erdenkrieger aus verfolgte der Kapitän die Szene, die sich an Bord des Giftfrachters abspielte, und schämte sich im Grunde seines teutonischen Herzens; seine Kameradinnen hatten den Mut aufgebracht, etwas zu tun, wovor er sich selbst ängstlich herumgedrückt hatte, und das war einfach nicht in Ordnung. Er stellte den Antrag – die Erdenkrieger war nämlich ein durch und durch demokratisches Schiff –, die restlichen Boote zu Wasser zu lassen und sich in die Riemen zu legen.
»Warum, meine Damen, haben Sie sich eigentlich an die Reling meines Schiffs gekettet?« fragte Vanderdecker. »Tut mir leid, wenn das so klingt, als wär ich neugierig, aber mich …«
»Weil wir die Schwestern unserer Mutter Erde sind«, klärte ihn Martha auf.
Es trat eine kurze Stille ein, die schließlich der Erste Maat unterbrach.
»Käpt’n, wenn die beiden die Schwestern der Erde sind, wie kann die Erde dann ihre Mutter sein?« fragte er verdutzt.
Vanderdecker lächelte seinen Ersten Maat geduldig an. »Nicht jetzt, Antonius«, bat er. »Ich erklär dir das später mal. Also sind Sie Umweltschützerinnen, richtig?«
»Stimmt«, antwortete Martha. »Hören Sie …«
»Und warum haben Sie sich an die Reling meines Schiffs gekettet? Aus purer Gewohnheit?«
Martha lächelte höhnisch,
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