Der Fliegende Holländer
Tasse Tee im Speisewagen serviert, glaubte aber, die Namen behalten zu können.
Antonius beugte sich mit den Händen auf den Knien nach vorn und murmelte verlegen: »Tut mir leid, was mit Ihrem kleinen Boot passiert ist.«
Danny blickte ihn verdattert an. »Mit meinem Boot?«
»Ja, Ihr kleines Boot. Wir haben’s versenkt. Erinnern Sie sich nicht?«
»Ach so, das Boot! Doch, doch, aber das nehme ich Ihnen nicht übel.«
Auf Antonius’ Gesicht erschien ein warmes Lächeln; er war offenbar ein Mann, der fremder Großherzigkeit die gebührende Anerkennung entgegenbrachte, wenn es um das Versenken von Booten ging. »Fernsehen also …«
Danny nickte instinktiv.
»Sie sind richtig beim Fernsehen?« hakte Antonius neugierig nach.
Danny nickte erneut, diesmal tief erleichtert. Für einen kurzen Moment hatte er gedacht, er sei unter Freibeutern gelandet.
»Fernsehen ist eine phantastische Erfindung«, fuhr Antonius fort. »Wenn wir auf Landurlaub sind, sehen wir immer alle fern. ›Coronation Street‹.«
»Wie bitte?«
»›Coronation Street‹«, wiederholte Antonius. »Das läuft im Fernsehen. Da stehen wir alle drauf.«
»Ehrlich?« Danny kniff die Augen zusammen, als bemühe er sich, eine einzelne Zelle zu sehen, ohne sich mit einem Mikroskop abzugeben. Er spürte, wie ihm das Gespräch abermals entglitt.
»Natürlich fällt es uns schwer, der Handlung zu folgen«, fuhr Antonius fort.
»Ich weiß nicht, was Sie meinen, denn ich …«, setzte Danny an, aber Antonius fuhr ihm über den Mund wie eine Dampfwalze über einen verschrumpelten Apfel.
»Wissen Sie, wir bekommen die Serie nur alle sieben Jahre einmal zu sehen, und es verändert sich immer ’ne ganze Menge.«
»Ich hab wirklich keine Ahnung«, entgegnete Danny. »Warum denn alle sieben Jahre?«
»Wir verbringen reichlich Zeit auf See«, mischte sich Sebastian ein. »Hab ich recht, Antonius?«
»Das stimmt«, bestätigte Antonius. »Weil der Geruch so stark ist.«
Danny sah, wie Sebastian Antonius vors Schienbein trat, und er rechnete mit einer erneuten gewalttätigen Auseinandersetzung der beiden.
Doch Antonius blickte nur verlegen drein und fügte hinzu: »Der Geruch der See. Wir Holländer lieben den Geruch der See. Das liegt uns im Blut.«
Was immer dir in diesem Moment im Blut liegt, es ist ganz sicher kein Meerwasser, dachte Danny, behielt es aber lieber für sich.
»Ich hab wirklich keinen blassen Schimmer, was wir früher die ganze Zeit gemacht haben, als es noch kein Fernsehen gab«, erzählte Antonius weiter. »Natürlich haben wir viel mehr Flöte gespielt als heutzutage, haben Gaillarden getanzt oder sind zur Bärenhatz gegangen, aber solche Sachen können einem irgendwann ganz schön auf den Keks gehen, hab ich recht?«
»Ja«, bestätigte Danny rasch; in Anbetracht der Umstände hielt er das für eine gute, unverbindliche Antwort.
»Der Käpt’n hat natürlich seine Alchimie«, fuhr Antonius fort. »Apfel?«
»Bitte?«
»Möchten Sie einen Apfel?«
»Nein danke.«
»Wie Sie wollen. Am glücklichsten ist der Käpt’n, wenn er seine Nase in irgend so ’n Alchimiebuch vergraben hat. Ich kapier nicht, was er daran findet. Ich hab selbst mal versucht, eins zu lesen. Keine Bilder. Nur komische kleine Strichzeichnungen. Aber ihm scheinen die zu gefallen, und ich finde die immer noch besser als Buddelschiffe. Haben Sie sich mal mit Alchimie beschäftigt?«
»Nein«, gestand Danny.
»Machen Sie sich nichts draus«, beruhigte ihn Antonius mit großer Weisheit. »Reine Zeitverschwendung. Letzten Endes soll ja an der Alchimie was dran sein, glaubt man wenigstens.«
»Tatsächlich?« fragte Danny.
»Na klar! Aber für mich wär das nichts, dieses viele Lesen und was man sonst noch alles dafür machen muß. Das ist vielleicht ganz in Ordnung, wenn man auf hoher See festsitzt, aber beim Käpt’n hört es damit ja nicht auf. Der macht sogar noch auf ’m Landurlaub weiter. Ich erinnre mich, einmal in Neu Amsterdam …«
»New York«, korrigierte ihn Sebastian unwillkürlich. »Man nennt es heutzutage New York.«
»Ach wirklich?« Antonius wirkte überrascht. »Was für ein blöder Name. New York also … eine furchtbare Stadt ist das. Sind Sie schon mal dagewesen?«
»Ja«, antwortete Danny.
»Haben die immer noch dieses Gesetz, daß man nirgendwo was zu trinken kriegt?«
»Wie meinen Sie das?« fragte Danny.
»Man kriegt in Neu Amsterdam nirgends was zu trinken«, klärte Antonius ihn auf. »Das ist gegen das Gesetz. Wenn
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