Der Fliegende Holländer
Vanderdecker. »Ich nehme an, Montalban kann noch fünf Jahre warten; er hat weiß Gott lange genug gewartet. Als Kapitän muß man eben lernen, nichts zu überstürzen.«
»Ich finde, Sie sollten die Geschichte weiterverfolgen, Käpt’n«, schlug Jane vor.
Vanderdecker dachte kurz nach, dann murmelte er: »Ja, vielleicht sollte ich das wirklich. Sie reden genau wie meine Mutter.«
Jane war entsetzt. »Ach, tatsächlich?«
»Soweit ich mich erinnern kann, ja. ›Warum nimmst du nicht die Stelle beim Wollhändler an, Junge? Findest du nicht, daß es Zeit für dich ist, eine Familie zu gründen und etwas aus deinem Leben zu machen? Du solltest wirklich an Onkel Cornelius schreiben.‹ Ich glaube, sie war der ausschlaggebende Grund, weshalb ich schließlich zur See gefahren bin.«
Das war ein Dämpfer für Jane. »Ich verstehe. Tut mir leid, wenn ich Sie an Ihre Mutter erinnert hab.«
Vanderdecker lächelte verlegen. »So bin ich nun mal, aber ich wollte wirklich nicht unhöflich sein. Es ist nur so, daß ich ein bißchen nervös bin, wie immer, wenn ich dieses verdammte Schiff führen muß. Eigentlich sollte man meinen, daß das nach der langen Zeit so etwas wie eine zweite Heimat für mich ist, aber ganz so einfach ist das nicht. Ich glaube, wenn ich noch mal von vorn anfangen könnte, würde ich Beamter werden – jedenfalls irgendwas in dieser Richtung. Man hätte seine Ruhe, bräuchte gegenüber anderen nicht anmaßend zu sein und müßte auch keine Führungsqualitäten zeigen.«
Jane kicherte. »Ich bin mir sicher, das würde Ihnen nach kurzer Zeit zum Hals raushängen.«
»Meinen Sie?« Vanderdecker zuckte die Achseln. »Sie scheinen auf einmal ’ne ganze Menge über mich zu wissen.«
Jane ging nicht darauf ein und sagte: »Wenn Sie nichts dagegen haben, führe ich jedenfalls gern mit Ihnen.«
»Das wird für Sie sehr langweilig werden, jedenfalls solange wir Montalban nicht hinterherjagen«, gab Vanderdecker zu bedenken.
»Aber bestimmt nicht halb so langweilig wie mein Job als Buchhalterin«, widersprach Jane.
»Ach, wissen Sie, das ist ein Beruf, der mir schon immer gefallen hat.« Vanderdecker geriet ins Schwärmen. »Zu meiner Zeit war er natürlich noch ganz anders. Es gab keine Computer, nur Rechentafeln mit Messingkugeln und Kassenbücher. Wenn man sich bei den Quartalsberichten langweilte, konnte man sich einfach irgendeinen anderen Buchhalter heranholen und Dame oder Schach spielen. Sollte ich wirklich diese Montalban-Sache weiterverfolgen?«
Jane überlegte, wobei sie sich zu ihrer eigenen Verwunderung bei der Wahl ihres Ratschlags nicht einmal von persönlichen Motiven beeinflussen ließ.
»Ich denke, da sollten Sie unbedingt dranbleiben, wirklich«, riet sie. »Schließlich ist dieses Meerwasser von Dounreay …«
»Sie haben recht«, unterbrach Vanderdecker sie. »Aber natürlich gibt es da ein Problem.«
Jane schaute ihn verdutzt an. »Und welches?«
»Das Problem ist, daß ich die nächsten fünf Jahre nicht an Land gehen kann. Wegen des Geruchs. Schränkt das meine Handlungsfreiheit nicht ziemlich ein?«
Jane lächelte. »Kann sein, aber meine schränkt es doch nicht ein, oder?«
»Das mag zwar stimmen, ist aber sicherlich nur von zweitrangiger Bedeutung«, gab Vanderdecker zu bedenken. »Denn was hat die ganze Geschichte mit Ihnen zu tun?«
Jane war verzweifelt und sagte ungeduldig: »Dann muß ich es Ihnen verdeutlichen, und schauen Sie mir dabei auf die Lippen.«
»Mit Vergnügen.«
Jane überging diese Bemerkung und fuhr überdeutlich sprechend fort: »Ich werde Montalban aufsuchen und ihm eine Nachricht von Ihnen übergeben. Das heißt, wenn Sie das wollen.«
»Täten Sie das wirklich?« fragte Vanderdecker. »Das wäre für uns eine sehr große Hilfe. Wir wüßte das sehr zu schätzen.«
»Dann spricht ja nichts mehr dagegen«, sagte Jane.
Vanderdecker überlegte. »Sie stellen sich das also so vor, daß wir uns dann später irgendwo wiedertreffen und Sie mir erzählen, was er gesagt hat, stimmt’s?«
»Exakt.«
»Wenn Sie sich absolut sicher sind.«
»Sicher bin ich mir sicher«, entgegnete Jane. »Also, wie lautet die Nachricht?«
Vanderdecker antwortete nicht. Statt dessen ging er in die Knie, hob ein kurzes Stück einer rostigen Kette auf und sagte: »Auf diesem Schiff wird es langsam immer unordentlicher. Sehen Sie sich das nur an! Nichts als Gerümpel, wohin man blickt. Ich bin von Natur aus kein pingeliger Mensch, aber mit der Zeit geht einem so etwas
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