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Der Fliegenfaenger

Der Fliegenfaenger

Titel: Der Fliegenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Russell
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Ampelsystem in Pontin Le Frith.
    »Psychologie«, sagte er. »Ich bin zwar Lehrer, aber gleichzeitig auch Psychologiestudent, Raymond. Das klingt jetzt so großartig und du brauchst es auch gar nicht zu verstehen. Aber dieses Wissen, Raymond, kommt mir sehr zugute. Früher wäre ein solches Zusatzstudium während der Tätigkeit als Lehrer kaum möglich gewesen. Aber die Open University macht’s möglich. Tempora mutantur, die Zeiten ändern sich!«
    Hatte er da gerade was von »Mutant« gesagt? Genau! Das war er, ein Mutant ! Ein widerlicher, fieser, todlangweiliger Mutant, der sich in unserer Maisonnettewohnung breit machte! Ich hörte ihm gar nicht mehr zu. Er laberte und laberte, dass ich der Falsche Junge sei und dass ich Malcolm sei und was das alles bedeuten könnte. Aber ich hörte ihm gar nicht mehr zu, weil ich mir gerade einen Film mit dem Titel Landung der Mutanten oder Das Mutantenmassaker vorstellte und in dem Film ging es um die Invasion der Mutanten, die plötzlich in der amerikanischen Provinz auftauchen. Aber anfangs erkennt man die Mutanten nicht, weil sie sich als Lehrer der Open University verkleiden, sodass es alle ganz normal finden, wenn sie ein bisschen komisch sind. Aber dann häufen sich mysteriöse Todesfälle, der Friseur und der Briefträger und der Getränkemann sterben und niemand kann sich erklären warum. Und bald gibt es so viele Leichen, dass der Platz auf dem Friedhof knapp wird und die Leute, die noch leben, die Leichen ihrer Nachbarn und Verwandten in der Tiefkühltruhe aufbewahren müssen. Aber das Komische ist, dass von den Mutanten keiner stirbt. Die Mutanten leben ganz normal weiter, laufen weiter mit ihren komischen Frisuren und ihren grellbunten Krawatten rum und labern über die Stadtplanung in Preston und über die Peloponnesischen Kriege. Und der Einzige, der Verdacht schöpft, ist der Schuhputzerjunge, der zwar stottert und hinkt, aber trotzdem von allen geliebt wird, weil er so gescheit ist und weil er die Schuhe so schön wienert, Mann, dass man sich glatt drin spiegeln kann! Aber als der Schuhputzerjunge eines Morgens einem Mutanten die Schuhe putzt, hört er zufällig mit, wie der sich mit einem andern Mutanten unterhält. Und weil der Junge stottert und hinkt, halten ihn die Mutanten für dumm und taub und deshalb reden sie so, als sei er gar nicht da. Aber der Schuhputzerjunge hört alles mit an, und jetzt weiß er, dass die Mutanten für all die Toten verantwortlich sind und dass sie nicht nur an fortgeschrittene Hydroponik oder die Stadtplanung in Preston denken, sondern an die totale Weltherrschaft! Der Schuhputzerjunge putzt weiter und versucht sich seine Angst nicht anmerken zu lassen. Aber da bemerkt einer der Mutanten, dass die Hände des Jungen beim Schuheputzen zittern. Und der eine Mutant schaut den andern an, und beide wissen, dass der Junge alles mit angehört hat, und deshalb muss er sterben. Sie zerren ihn in den hinteren Teil des Raums, und während der eine Mutant ihm die Arme hinterm Rücken festhält, beginnt der andere mit einem Vortrag über die Bodenerosion im Nationalpark Snowdonia. Und der Schuhputzerjunge merkt, wie seine Augen glasig werden, und verliert rasch jeden Lebenswillen. Und plötzlich weiß er, mit welcher Geheimwaffe die Mutanten all die Einwohner getötet haben: mit Langeweile! Die Mutanten haben ihre Opfer zu Tode gelangweilt! Und jetzt ist der Schuhputzerjunge dran. Die Bodenerosion in Snowdonia hat ihn schon ganz schwach und krank gemacht und jetzt wollen ihn die Mutanten töten – mit einer kurzen Unterrichtseinheit über neofolkloristische Tendenzen in der zeitgenössischen Supermarktplanung. Jetzt wird der Schuhputzerjunge ohnmächtig und es sieht ganz so aus, als wäre schon wieder jemand den Mutanten zum Opfer gefallen. Aber dann! Dann kommt plötzlich der Sheriff durch die Seitentür. Die Mutanten drehen sich um und wollen den Sheriff mit einem niederschmetternden Bericht über das viktorianische Abwassersystem außer Gefecht setzen. Doch der Sheriff steht da, zieht grinsend die Pistole aus dem Halfter und sagt zu den Mutanten: »Das könnt ihr euch für den Richter aufheben!« Und dann deutet der Sheriff auf seine Ohren. Und die Mutanten sehen, dass sie keine Chance haben, den Sheriff zu Tode zu langweilen, weil der Sheriff nämlich Ohrenschützer trägt!
    Nachdem er die Mutanten eingesperrt hat, besucht der Sheriff den Schuhputzerjungen im Krankenhaus. Und obwohl die Mutanten den Jungen schon fast zu Tode

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