Der Fliegenfaenger
Gorman aus Failsworth!«
Er legte den Kopf schief, beäugte mich misstrauisch und fragte: »Und wer zum Teufel bist du?«
»Raymond Marks!«, sagte ich. »Ich hab früher mal in Failsworth gewohnt. Du warst in der obersten Klasse der Binfield Road Juniors, als ich in der achten war!«
Er starrte mich eine Ewigkeit an. Manche Kinder wurden schon ungeduldig, drängten ihn, mir endlich eine reinzuhauen, und erinnerten ihn an seine zerstückelten Kohlrüben. Aber Norman Gorman starrrte mich weiter an, als ob er angestrengt nachdächte. Und plötzlich hellte sich seine Miene auf. Er zeigte auf mich und sagte: » Du bist das gewesen, stimmt’s? Nachdem ich und Twink schon nicht mehr in dieser scheiß Schule waren. Du bist doch dieser Kleine! Mit den Fliegen! Der kleine Fliegenfänger! Hey, das warst doch du, stimmt’s?«
Er zeigte immer noch auf mich, und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich wollte nicht, dass die Sache mit dem Fliegenfangen hier bekannt wurde. Aber dann sagte Norman Gorman: »Das Fliegenfangspiel! Hey, das war echt geil!«
Ich sah ihn nur an. Aber jetzt lächelte er und starrte mich mit einer Art ehrfürchtiger Bewunderung an. »Scheiße, Mann!«, sagte er. »Als wir davon gehört haben, Twink und ich, waren wir echt platt. Twink war wahnsinnig neidisch! Er hat sich geärgert, dass ihm das nicht selber eingefallen ist; weil das war total geil, Mann, absolute Spitze! Twinky hat damals gesagt: ›Der Junge, der sich das ausgedacht hat, der sollte die Duke-of-Edinburgh-Medaille kriegen!‹«
Norman Gorman schüttelte den Kopf. »Und das warst du, stimmt’s?«
Jetzt nickte ich vorsichtig. Aber da sagte Ambrose McFadden: »Dann haust du ihm also keine rein, Gonzo?«
Norman Gorman sah mich an und sagte: » Dem eine reinhauen?« Er lächelte. Und dann drehte er sich zu Ambrose McFadden um und erklärte: »Dem hau ich natürlich keine rein, du Arschgesicht!«
Er zeigte auf mich und sagte: »Raymond Marks! Eine Legende, verdammt noch mal! Ich hau doch einer Legende keine rein bloß wegen ein paar scheiß Kohlrüben! Und wo er doch nicht mal die Duke-of-Edinburgh-Medaille gekriegt hat, oder?«
Ich schüttelte den Kopf. Und Norman sagte: »Hey, im Gegenteil, verdammte Scheiße!« Er wandte sich an die andern und sagte: »Geflogen ist er! Von dieser scheiß Schule geflogen!«
Norman drehte sich wieder zu mir und fragte: »Stimmt’s, Raymond?«
Ich nickte. Und da machte Norman einen Schritt auf mich zu, legte mir den Arm um die Schultern und verkündete: »Ich und Raymond, wir sind Brüder! Uns hat beide dieser Neue Schulleiter von Binfield Road auf dem Gewissen, dieses Riesenarschloch! Der ist schuld, dass ich hier gelandet bin, bei diesen scheiß Hirnis und Deppen! Ich und Raymond! Dieses Arschloch hat uns beide reingeritten!«
Es war komisch, hier mitten in der Menge neben Norman Gorman zu stehen, der so tat, als seien wir beide vom gleichen Terrorregime unterdrückt worden. Aber es war ein gutes Gefühl. Plötzlich rief ein Kind von ganz hinten: »Was soll das denn gewesen sein, das Fliegenfangen?«
Aber zum Glück musste ich nicht antworten, denn Norman Gorman sagte: »Das Fliegenfangen! Hey, das ist echt geil! Also, man holt sein Ding raus, irgendwo im Freien. Und dann geht das so ähnlich wie beim Angeln. Bloß dass man statt’ner Angelrute seinen Schwanz benutzt!«
Ich traute meinen Ohren nicht! Wie konnte Norman Gorman so was sagen? Es waren doch auch ein paar Mädchen dabei, von denen jetzt ein paar schockiert kreischten und lachten. Aber Norman fuhr ungerührt fort: »Okay! Man hat also sein Ding draußen. Und dann zieht man einfach die Haut zurück, die Vorhaut, damit die Schwanzspitze rausschaut!«
Ein Kind rief skeptisch dazwischen: »Ach, das ist doch bloß Wichsen!«
»Nein, verdammt noch mal!«, erklärte Norman. »Beim Wichsen würde man ja die Hand bewegen, du Idiot! Aber man bewegt sie eben grade nicht, darum geht’s. Man hält total still! Als würde man so’ne scheiß Bombe entschärfen! Keinen Muskel darf man bewegen – wenn der Schwanz nämlich nur ein kleines bisschen zittert, merkt das die scheiß Fliege und ist weg! Man wartet also wie so’n scheiß Standbild, total reglos, mit dem Schwanz in der Hand. Man wartet und wartet.«
Norman Gorman machte es vor und stand reglos da, als sei er selber ein Standbild. Und die Kinder starrten ihn an, ganz fasziniert, wie kleine Kinder beim Kasperletheater. Und jetzt senkte Norman die Stimme fast zu einem Flüstern:
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