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Der Fliegenfaenger

Der Fliegenfaenger

Titel: Der Fliegenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Russell
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schreckliche Prellung an und sagte: »Warum hat er das denn getan?«
    Norman schüttelte den Kopf, als wisse er es nicht. Aber dann, als er sein Shirt in die Hose zurückstopfte und zwinkerte, damit die Tränen weggingen, sagte er: »Weil dieses Arschloch weiß, dass ich mit Twink rumhänge, deshalb.« Und mit einem Achselzucken fügte er hinzu: »Aber wenn er mich deshalb nicht prügeln würde, dann eben für was anderes. Er hat mich schon immer geprügelt, seit ich denken kann. Und ich würd am liebsten zurückschlagen, Fliege. Obwohl er so groß und stark ist, dieser Scheißkerl, würd ich am liebsten zurückschlagen, schon seit ich dreizehn bin. Hey, und wenn da nicht diese ganzen Strategien wären und meine scheiß Konfliktbewältigung, hätt ich ihn längst gekillt. Aber das macht mir echt Sorgen, Fliege; das heute Morgen hat nämlich scheiß wehgetan. Dieses verdammte Schwein! Ich war kurz davor, Fliege! Ich war verdammt kurz davor, einfach zurückzuschlagen!«
    Norman starrte auf die Straße, und die Tränen, die er bis jetzt zurückgedrängt hatte, liefen ihm übers Gesicht. Da nahm ich seine Hand. Und wir saßen nebeneinander auf der Treppe zur Kunstgalerie.
    Und Norman drückte meine Hand wahnsinnig fest und sagte: »Aber ich lass diesen Scheißkerl nicht gewinnen, Fliege! Denn das würde ich ja tun, wenn mir die Sicherung rausfliegt und ich auf ihn losgeh, genau das würde ich ja tun: alles hinschmeißen, was ich gelernt hab, den ganzen Scheiß, alles, was mich so verdammt stolz macht, zum Beispiel, dass ich in so’ner Scheißsituation nicht ausraste und mich verdammt unter Kontrolle hab, Fliege, unter Kontrolle. Und das alles würde ich hinschmeißen, oder? Den ganzen Scheiß, den ich gelernt hab. Wenn ich ihm eine reinhaue, würd ich das doch alles hinschmeißen, stimmt’s, Fliege?«
    Und Norman sah mich aus nassen Augen flehend an. Und ich nickte und sagte: »Du bist wirklich tapfer, Norman. Ich finde, du bist ein sehr bewundernswerter Mensch!«
    Da musste Norman lächeln. Und sogar ein bisschen lachen. Und er wischte sich mit dem Ärmel über die Augen und sagte: »Hey, Fliege, du verzapfst vielleicht’nen Scheiß!«
    Aber dann legte er mir den Arm um die Schulter, und wir saßen noch eine Zeit lang da, ich und mein misshandelter bester Freund.
    Und ich hatte eigentlich Glück, dass ich so etwas nicht ertragen musste, einen Vater, der mich windelweich prügelt. Ich hatte gerade in letzter Zeit immer mal wieder über meinen Vater nachgedacht und mich gefragt, ob all das, was mir zugestoßen war, vielleicht nicht passiert wär, wenn mein Dad bei uns geblieben wäre. Wenn er sich nicht dauernd in seine Musikinstumente verliebt, sondern stattdessen den Rasen verlegt hätte und einfach ganz normal gewesen wär. Aber als mir Norman erzählte, dass ihn sein Vater verprügelte, dachte ich, vielleicht war es besser so, dass uns mein Dad verlassen hat. Wer weiß, vielleicht hätte er mich irgendwann verprügelt. Oder gar meine Mam. Und außerdem brauchte ich sowieso keinen Dad. Ich hatte ja meine Mam; und obwohl meine Oma jetzt ein bisschen an Alzheimer litt, hatte ich ja auch sie noch. Und außerdem hatte ich noch meine zwei wunderbaren Freunde! Aber dieser Gedanke war andererseits auch wieder schlimm; da saß ich neben Norman und hatte solches Glück und mein Freund war so traurig!
    Aber dann sagte Norman: »Ach, scheiß drauf, Fliege!«, und er umarmte mich ganz fest und sagte: »Scheiß drauf! Wir fahren ja bald nach London, oder? Und dann kann er mich nicht mehr verprügeln, stimmt’s? Den Teufel kann er, weil dann sind wir in London, und Twinky wird ein wahnsinnig berühmter Star in der wunderbaren Welt des West End. Und ich bin dann sein Bodyguard und sein Koch, und du, Fliege, du bist sein … Agent oder irgend so was Schlaues. Und wir drei, Fliege, hey, wir bleiben immer zusammen, und keiner von uns wird noch mal von so’nem Arschloch verprügelt!«
    Jetzt lächelte Norman mich an. Und dann sagte er: »Komm, wir suchen Twink.«
    Wir standen auf und gingen die letzten paar Stufen zum Eingang der Galerie rauf. Aber kurz davor blieb Norman stehen und sagte: »Aber sag ihm ja nichts, Fliege, okay? Sag Twink ja nichts von dem, was ich dir gerade erzählt hab.«
    »Bestimmt nicht, Norman«, erwiderte ich. »Ehrenwort.«
    »Ich will auf keinen Fall, dass er sich aufregt, verdammt noch mal«, sagte Norman. »Twink hat schon genug Scheiße am Hals, weil er schwul ist und so.«
    Ich nickte. Und ich fand es

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