Der Fliegenfaenger
starrten uns an.
»Kapiert?«, fragte sie. »Oder wollen Sie’s schriftlich?«
Ich zuckte nur die Achseln. Offenbar passte auch Höflichkeit nicht in die Produktpalette von Burger-Banquet. »Dann nehm ich eben nur Chips«, sagte ich. »Und ein Brötchen.«
»Geht nicht«, sagte sie.
Ich fragte: »Warum?«
»Weil das Produkt ›Chips‹ nicht zur Produktpalette von Burger-Banquet gehört.«
Ich zeigte zum Fotodisplay hinauf und sagte: »Warum sind sie dann da oben abgebildet?«
Sie sagte: »Pommes frites! Das sind Pommes frites!«
Ich schaute noch einmal zu dem Bild hinauf und wandte ein: »Aber sie sehen aus wie Chips!«
»Es sind aber keine!«, sagte sie, beugte sich vor und starrte mich wütend an. »Es sind Pommes. Keine Chips.«
»Na gut«, lenkte ich ein, »dann nehm ich eben Pommes.« Sie stieß einen tiefen Seufzer aus und griff nach ihrer Chips-schippe. Und ich fügte hinzu: »Aber bitte nur eine kleine Portion.«
Jetzt hielt sie inne, legte den Kopf schief und sah mich mit einem warnenden Glitzern an. Sie deutete mit der Chips-schippe auf das scheußlich grelle Fotodisplay und sagte: »Sehen Sie da oben vielleicht irgendwo das Wort ›klein‹?«
Sie starrte mich wieder an und ich schüttelte den Kopf.
»Genau!«, sagte sie. »Und was glauben Sie, warum?«
Ich schüttelte erneut den Kopf.
Jetzt schwang in ihrer Stimme der Stolz auf ihre Firma mit, als sie mir erklärte: »Weil ›klein‹ … weil das Wort ›klein‹ in Verbindung mit Burger-Banquet-Produkten nicht existiert! Unser Angebot umfasst Mini-Frites, Medium-Frites, Mega-Frites und Super-Mega-Frites.«
Ich kapitulierte vor der pedantischen Burger-Banquet-Semantik, sagte brav das richtige Wort und sah zu, wie sie die Chipsschippe halb füllte und meine Mini-Frites in einen gewachsten Pappbehälter schaufelte. Dann kaufte ich noch einen Cappuccino Capriccioso und setzte mich auf einen Plastikstuhl an einen Plastiktisch, wo ich meine Plastikchips verzehrte und all die andern Unglücksraben betrachtete, die sich mit freundlicher Genehmigung von Burger-Banquet einem Wochenend-Freizeiterlebnis unterzogen.
Ein Mann mit Strickjacke kam an meinen Tisch. Er sagte zu seiner Frau: »Na los, rutsch durch, dann bist du aus dem Weg.«
Und sie tat wie befohlen, rutschte gehorsam auf den inneren Sitz und stocherte misstrauisch in ihren Pommes, während ihr Mann seinen Doppel-Topper-Cheesy-Whopper in Angriff nahm.
Plötzlich sah er auf und fragte mich, wer meiner Meinung nach schuld sei.
»Schuld an was ?«, fragte ich.
»Halifax«, antwortete er.
»Ich weiß nicht«, sagte ich, »schuld sind immer die andern, wahrscheinlich ist das hier genauso.«
Aber er fand, dass ich mich da gewaltig irrte, und dann schwadronierte er los: Früher hätte es sich bei Halifax und ganz Yorkshire ja mal um ein richtiges Gemeinwesen gehandelt, aber jetzt liege es danieder, alle hier seien deprimiert, weil die Regierung sämtliche Fabriken und Gruben geschlossen habe und die Kumpel keine Kohle mehr fördern könnten. Ich schwieg, aber meinem ersten Eindruck nach konnte ich mir nicht recht vorstellen, dass die Einwohner von Halifax jemals fröhlich auf den Straßen getanzt haben, auch nicht, als diese Scheißzechen noch in Betrieb waren. Aber es hatte keinen Zweck, ihm das zu sagen. Er gehörte zu den Typen, die sich am liebsten selber reden hören. Ich betrachtete seine Frau, die schweigend auf ihre Pommes starrte. Sie sah aus wie jemand, der sich schon seit vielen, vielen Jahren in Geiselhaft befindet und inzwischen jede Hoffnung auf Rettung oder Flucht aufgegeben hat. Und man sah ihr an, dass das Gewicht ihres Ehegatten, dieses rechthaberischen Langweilers, sie förmlich platt gequetscht hatte. Er war offenbar eine Art Star beim hiesigen Lokalsender und moderierte Hörersendungen, bei denen er wahrscheinlich auch stundenlang vor sich hin schwafelte – über die vielen Graffiti heutzutage und dass es so etwas in seiner Jugend nicht gegeben hätte und dass man damals noch nicht die Haustür abschließen musste, weil damals noch alle Menschen gut und freundlich waren und sich gegenseitig Zucker borgten, damals, in der guten alten Zeit, als man noch Holzpantinen und Kopftücher trug und es noch keine Mörder, Pädophilen und psychopathischen Serienkiller gab, und zwar deshalb, weil man den Kindern noch Respekt beibrachte und ihnen zeigte, wie man Gut und Böse unterscheidet, und weil die Kinder keine Schuhe und keine Videos hatten und keine Pizza mampften,
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