Der Fliegenfaenger
Darum rannte Paulette schnell hinein,
Und sie duckte sich tief in das hohe Gras und machte sich winzig klein,
Zog ihr Höschen herunter und legte es hin, schön zum Trocknen umgedreht,
Und dann schloss sie die Augen und sprach auf den Knien ein inniges Bittgebet:
Dass alles wieder in Ordnung kam, dass die Hose trocknete schnell,
Dass sie schnell wieder nach Hause kam, es war ja noch lange hell.
Und dass Darryl und Mutter vielleicht ja noch nicht von den Einkäufen waren zurück!
Das war ihr Gebet. Und jetzt setzte sie sich ins Gras. Vielleicht hatte sie Glück!
Paulette saß im Gras und wartete still, während um sie der Sommertag flirrte,
Und da sah sie den knallroten Schmetterling, der sie tanzend und gaukelnd umschwirrte,
Als wollte er spielen, als lockte er sie, jetzt berührte er fast ihre Nase,
Dann flog er im Zickzack ein Stückchen davon, schlug Haken fast wie ein Hase,
Dann klappte er auf einer Grasspitze sanft die Flügel mal auf und mal zu,
Als zwinkerten lustig die Flügelaugen, als riefe er leise: »Komm, du!«
Wenn Paulette nach ihm griff, flog er wieder davon, ein winziges Stückchen weiter,
Saß schaukelnd und schwankend auf einem Halm und zwinkerte schelmisch und heiter,
Doch kroch sie ihm nach, dann stieg er auf, flog einen weiten Bogen,
Jetzt streckte sie die Hände aus – schon war er weggeflogen.
Wo ist er nur? dachte Paulette, da sah sie ihn schon wieder:
Dort drüben ließ er sich, ganz nah, auf einer Blume nieder!
Dann stieg er wieder in die Luft, flog gaukelnd hin und her.
Und lachend lief Paulette durchs Gras und rief: »Das ist nicht fair!
Das gilt nicht, weil du fliegen kannst, und ich kann doch nur rennen!
Kein Schiedsrichter auf der ganzen Welt wird so etwas anerkennen!«
Paulette hatte wirklich mehr als Recht, sie hatte keine Chance,
So heiß war ihr, sie war erschöpft, sie wankte wie in Trance.
»Den Schmetterling, den krieg ich nie, auch nicht mit sehr viel Glück!«
Und deshalb drehte sie sich um und ging den Weg zurück.
Und eigentlich wusste sie ganz genau, wo zum Trocknen das Höschen lag.
Sie brauchte jetzt nur ihrer Spur zu folgen, es war ja noch heller Tag.
Dann würde sie schnell nach Hause laufen und alles war in Butter,
Am Ende schaffte sie’s wirklich noch vor Darryl und ihrer Mutter!
Vielleicht würde diesmal ein Wunder geschehen und sie kriegte was mitgebracht?
Ein Geschenk aus der Stadt, einen Teddy vielleicht und ein Bärenbaby, das lacht,
Neue Filzstifte oder ein Puppengeschirr oder schneeweiße Sonntagsschuh,
Einen Wasserfarbkasten und Wachsmalkreiden, einen Zeichenblock noch dazu.
Und dann würde sie von Miss Miller gemocht und gelobt wie die andern bisweilen,
Und durfte am Anfang des Malunterrichts in der Klasse die Sachen austeilen.
Und da sie klug war, vertraute man ihr auch die Aufsicht an in der Pause.
Und für die Ferien gab man Paulette den Goldhamster mit nach Hause.
Die Lehrer, sie würden tagaus und tagein ein Loblied auf sie singen,
Und irgendwann empfahlen sie ihr, eine Klasse zu überspringen.
Dann würde sie … Vor Schreck erstarrt blieb Paulette jetzt plötzlich stehen:
Denn als sie ans Ende der Wiese kam, war vom Schlackenweg nichts mehr zu sehen!
Er war nicht da. Der Weg war fort. Hier war er gewesen, doch!
Stattdessen sah sie ein hässliches, schwarzes Gewässer das ekelig roch!
Ganz faulig stank es und über dem Wasser, da flogen Myriaden von Schnaken
Und obwohl sie hier niemals gewesen war, Paulette brauchte gar nicht zu fragen:
Sie wusste, hier wohnte der Sittenstrolch und den sollten die Kinder doch scheuen,
Das hatte sie wieder und wieder gehört, sonst würde sie’s bitter bereuen!
Die Spielplatzmütter hatten des öfteren leis’ miteinander darüber gesprochen:
Der Sittenstrolch hatte dort unten am Wasser ja schreckliche Dinge verbrochen!
Mrs. Kershall bemerkte: »Wenn man ihn so sieht, vermutet man so was nicht mal!«
Und Mrs. Durney meinte: »Das ist das Problem! Die wirken oft völlig normal,
Denen merkt man’s von außen oft gar nicht an, die sehen ganz harmlos aus!
Und dann brennt bei denen’ne Sicherung durch und dann kommt die Bestie heraus!
Da geht so ein Bub in die Schule und wirkt wie ein völlig normales Kind.
Aber fragt euch doch selber, ob das am Kanal noch normale Handlungen sind!«
Und Paulette, die dabei saß, fragte gespannt: Was hat denn der Junge getan?
Da sprach Mrs. McGann von unsäglichen Dingen und schaute sie abweisend an.
Und als Paulette fragte:
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