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Der Fliegenfaenger

Der Fliegenfaenger

Titel: Der Fliegenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Russell
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der Wand hat sie sie versteckt. Und sie darf nie im Leben riskieren,
    Dass ihr Dad die Geschichte von Lucy entdeckt, denn sonst würde was Schlimmes passieren -
    Wenn ihr Dad eines Tages ins Wandloch schaut und das Märchen vom Riesen ist dort,
    Weiß er gleich, was die Lucy-Geschichte besagt, was sie wirklich meint, weiß er sofort!
    Und er hat ihr doch immer so streng untersagt, zu erzählen, was er mit ihr tat.
    Entsetzliche Folgen, so warnte er stets, bewirkte ein solcher Verrat!
    Dabei lächelte er, doch Paulette sah genau die Drohung in seinem Gesicht,
    Und sie hörte sein Flüstern und dachte voll Angst an das drohende Strafgericht,
    An das Märchen, das hinter der Wand sich bei Nacht zum gewaltigen Stapel vermehrte,
    Wenn Paulette voller Angst in der Dunkelheit lag und den Wind draußen heulen hörte;
    Denn dann hörte sie plötzlich, wie drinnen im Wandloch der Stapel grauenvoll flehte,
    Und die Blätter raschelten laut im Versteck, und sie scharrten an der Tapete.
    Die gekrakelten Wörter verwandelten sich in Spinnen, kohlschwarz und tintig,
    Und die suchten ein Loch, einen Weg aus der Wand, und am Ende wurden sie fündig,
    Und sie wimmelten über die Leiste aus Holz und ergossen sich krabbelnd ins Zimmer,
    Wie ein fiebriger, wuselnder, tintiger Strom, zu Paulettes entsetztem Gewimmer.
    Aus der Zimmertür lief diese grässliche Horde von Buchstabenspinnen hinaus,
    Da wuselten Klatsch-und-Gerüchte-Worte treppauf und treppab durch das Haus.
    Durch alle Zimmer liefen sie, über Teppiche, Bretter und Fliesen
    Und tuschelten von Paulettes Verrat mit dem Märchen vom bösen Riesen.

    Schon lange hatte Paulette geplant, es sicherer zu verstecken.
    Der Vater konnte das Loch in der Wand nur allzu leicht entdecken.
    Noch besser, sie holte die Blätter heraus, zerriss sie, vergrub sie im Dreck,
    Verbrannte sie, spülte im Klo sie hinunter, Hauptsache alles war weg!
    Doch vielleicht wär es früher besser gewesen, vielleicht war es jetzt schon zu spät.
    Er hat ja gedroht, nicht lange zu zögern, falls Paulette irgendetwas verrät.
    Dann wird er das tun, was getan werden muss, wenn Verhaftung drohte, Gericht,
    Weil er sie wahnsinnig liebte, Paulette. Und seine Schuld war’s dann nicht,
    Denn er hatte sie ja immer wieder gewarnt: Behalt Daddys Liebe für dich!
    Es ist ein Geheimnis zwischen uns zweien! Doch jetzt, o wie fürchterlich,
    Hatte sie es verraten! So falsch und gemein! Welch ein abgrundtiefer Verrat!
    Wo ihr Daddy es ihr doch so oft und so streng und so dringlich verboten hat!
    Und gewarnt hat er sie! Und er hatte geglaubt, sie verstünde nur allzu gut!
    Dabei hatte sie diesen Verrat geplant am eigenen Fleisch und Blut!
    Mit dem Märchen für ihre Lehrerin, dem verschlüsselten, bösen Gekrakel,
    Das ihn bloßstellte vor aller Welt, ihn befleckte mit einem Makel!
    Jetzt hatten die Dummköpfe Blut geleckt. Jetzt waren sie klar, die Fronten,
    Jetzt war er ein Monster für spießige Schnüffler, die ihn niemals verstehen konnten!
    Und wie oft hatte er Paulette gewarnt – hatte sie denn nicht zugehört? -,
    Dass was furchtbar Schlimmes passieren wird, wenn die Welt von der Sache erfährt!
    Hatte sie denn nicht an die Folgen gedacht? Die Folgen muss sie doch kennen!
    Denn wie oft hatte er ihr schon gesagt: ›Nichts kann mich von dir trennen!‹
    Ja, hatte sie denn am Ende geglaubt, das seien Worte nur?
    Als er sagte, was er machen würde, wenn es irgend jemand erfuhr?
    Als er sagte, er gehe nicht von ihr weg, als er hoch und heilig ihr schwor,
    Für den Fall, dass die Schnüffler ihn holen wollten, habe er was Bestimmtes vor.
    Dann würden sie sehen, dass sie ganz umsonst zu ihm gekommen sind,
    Weil jetzt beide für immer der Tod vereint: den Vater und das Kind.

    Vom Dämon in ihrem Kopf gehetzt, lief sie weiter den Pfad entlang,
    Und sah nicht mehr die Wirklichkeit, denn ihr war totenbang,
    Es gab nur die Angst, das Monster stampfte durchs Gras wie ein schauriger Pflug,
    Bis das Grauen wie eine Woge über dem Mädchen zusammenschlug.
    Sie konnte nicht ahnen, sie wusste ja nicht, dass das Monster gar nicht existierte,
    Und dass sie es nur aufgrund all des Schlimmen zusammenphantasierte.
    Nicht die Nägel des Monsters zerkratzten sie, es waren die Dornen bloß,
    Der Brombeerhecken, durch die sie sich schlug; ihre Panik war so groß!
    Und das schreckliche Stampfen des Monsters, das sie ohne Pause zu hören wähnte,
    War nichts als ihr Herzschlag, ihr eigenes Blut, das ihr in den Ohren dröhnte,
    Zu den

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