Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch der Abendröte. Roman

Der Fluch der Abendröte. Roman

Titel: Der Fluch der Abendröte. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
Vom Netzwerk:
Hilfe bitten oder sich fest auf ihr Ziel konzentrieren. Nein, sie musste einfach nur das tun, was ihr gerade in den Sinn kam.
    Sie hob das Schwert und spürte sein Gewicht nicht länger, ließ es erst über ihrem Kopf kreisen und richtete es dann bedrohlich auf den Mann. Sie war nicht sicher, ob sie es zustande bringen würde, mit dem Schwert auf diesen Mann einzuschlagen, ihn zu verletzen, gar zu töten. Und doch: Der Griff schien förmlich mit ihrer Hand zu verschmelzen. Kein fremder Gegenstand war dieses Schwert mehr, sondern ein Teil von ihr.
    Der Mann wich zurück und stieß mit den anderen zusammen. Die letzten beiden fassten sich als Erstes und flohen den Gang entlang – etwas, was Aurora unbedingt vermeiden wollte. Sie musste alle gleichzeitig ausschalten, durfte keinem die Flucht ermöglichen. Sie hob das Schwert wieder, sah kurz, wie sich Mias Gesicht in der Klinge spiegelte. Die Männer duckten sich ängstlich, pressten sich an die Wand, und Aurora nutzte den gewonnenen Platz, um einen gewaltigen Satz über sie hinweg zu machen. Noch im Sprung drehte sie sich zweimal um die eigene Achse, sorgsam darauf bedacht, dass ihr Schwert niemanden traf. Kaum landete sie auf dem Boden, hob sie wieder das Schwert – und schnitt den zwei Flüchtigen den Weg ab. Langsam drängte sie die fünf nun auf das Gefängnis zu. Sie fühlte ihre panischen Blicke und fühlte auch, wie kurz Mitleid in ihr aufstieg, aber sie unterdrückte diese Regung, verhärtete sich innerlich. Sie durfte kein Gefühl für diese Männer empfinden – es war schwer genug, deren Gedanken zu ertragen, die sie laut und deutlich hören konnte, als würden sie sie aus sich herausschreien: Wie hat sie das gemacht … habt ihr gesehen … es ist unmöglich … sie ist doch nur ein Mädchen …
    In ihrem Kopf schwirrte es, aber sie versuchte, nicht darauf zu achten. Sie wollte die Gedanken der Männer nicht hören, wollte sie vielmehr lenken – um diese fünf hier ebenso zu bezwingen wie eben noch den Nephil. Obwohl sie weiterhin das Schwert drohend erhoben hielt, nutzte sie als eigentliche Waffe wieder ihren Geist. Sie zwang die Männer, schrittweise zurückzuweichen, bis sie die Tür zu ihrem Kerker erreicht hatten und über die Schwelle stolperten. Einer musste den am Boden liegenden Nephil erblickt haben, denn er schrie entsetzt auf, ein anderer ließ seine Taschenlampe zu Boden fallen.
    Aurora achtete nicht darauf, sondern trieb auch die anderen weiter – mit dem Schwert und mit stummen Befehlen. Drei waren im Gefängnis … nun der Vierte … es fehlte nur noch der Fünfte, dann …
    Wieder durchfuhr ein Schrei ihre Gedanken, diesmal kam er nicht aus dem Mund einer der Männer, sondern von Mia. Sie hatte auf der anderen Seite der Tür gewartet – und war dort schutzlos dem fünften Mann ausgeliefert gewesen, der sie urplötzlich gepackt hatte und ihr nun mit seinen kräftigen Händen die Kehle zuzudrücken drohte. Triumphierend drehte er sich zu Aurora um, während Mia hilflos mit den Füßen strampelte.
    »Lass das Schwert fallen«, drohte er heiser, »sonst erwürge ich sie …«
    Der Schrei aus Mias Mund wurde immer dünner, ging in ein Keuchen über.
    Aurora ließ tatsächlich das Schwert sinken, doch sie ließ es nicht fallen, sondern starrte unverwandt auf den Mann und schüttelte schließlich leicht den Kopf.
    Tu das nicht!, befahl sie stumm. Du hast keine Macht über mich.
    Doch ehe sie ihn bezwingen konnte, ehe der unbarmherzige Griff seiner Hände sich lockerte, wusste sich Mia selbst zu helfen. Sie war zwar nicht so stark wie Aurora, aber sehr geschickt. Anstatt sinnlos zu strampeln, nahm sie alle Kraft zusammen, hob den Fuß und stieß ihn gegen das Schienbein ihres Angreifers. Ein Schmerzensschrei entfuhr ihm, und diesen kurzen Moment, in dem er völlig überrumpelt war, nutzte Mia, um ihren Hals seinen Händen zu entwinden, ihren Oberkörper gegen die Wand zu pressen und den Mann ein zweites Mal zu treten – diesmal in den Unterleib. Er stöhnte gequält auf, knickte ein.
    Auroras und Mias Blicke trafen sich – und erstmals stand nicht Panik in Mias Gesicht, sondern nur Triumph.
    »Es ist nicht so, dass ich mich selber gar nicht wehren kann«, murmelte sie.
    Der Triumph währte nicht lange, schon hatte der Mann sich wieder aufgerichtet und funkelte Mia zornig an. Doch da war Aurora an ihrer Seite, hob das Schwert und zwang ihn, den anderen zu folgen. Laut schlug sie die Tür zu. Wenn sie sich recht erinnern konnte, befand

Weitere Kostenlose Bücher