Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch der Abendröte. Roman

Der Fluch der Abendröte. Roman

Titel: Der Fluch der Abendröte. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
Vom Netzwerk:
diesem Raum befinden sich nach meinem Geschmack viel zu viele Wächter«, stellte er fest. »Ihr erlaubt, dass ich mich zurückziehe.«
    Blitzschnell, mit eingezogenem Kopf, wollte er an Saraqujal vorbeihuschen. Doch mitten in der Bewegung wurde er gestoppt.
    Ich hörte, was Saraqujal sagte – »Nein, ich erlaube es nicht …« –, aber sah nicht, was genau er tat, dazu ging alles viel zu schnell. Ein Schwert blitzte auf, klirrte, dann lag Caspar plötzlich am Boden, und das Schwert kreiste über ihm.
    Zunächst fassungslos starrte er auf Saraqujal, ehe er plötzlich kreischend zu lachen begann. Der Laut ging mir durch Mark und Bein. Caspars Gelächter war immer so schrill gewesen, dass ich glaubte, meine Ohren müssten platzen, aber nun klang es richtig hysterisch.
    »Töte mich doch!«, schrie Caspar – oder nein, er schrie es nicht: er heulte, er kreischte es. »Töte mich! Bring zu Ende, was Cara begonnen hat! Denk nicht, ich würde mich an diese elende Existenz klammern!«
    Erst jetzt sah ich, dass Saraqujal ihn nicht nur mit dem Schwert bedrohte, sondern seinen Fuß auf Caspars Brust gesetzt hatte und ihn niederdrückte. Nun zog er ihn kopfschüttelnd zurück.
    »Wie schnell ihr alle bereit seid, euer Leben aufzugeben«, sagte er gelangweilt. »Nathan würde für Sophie sterben. Sophie wahrscheinlich für Aurora. Du einfach nur aus schlechter Laune. Wo sind die Zeiten geblieben, als euresgleichen noch kämpfen konnte? Ich habe so viele Kriege angeführt, grausame Kriege, blutige Kriege. Und jetzt? Meine Brüder sind bequem geworden und faul. Ziehen den Kopf ein und wollen nur mehr im Geheimen wirken. Haben die Diplomatie für sich entdeckt, als könnte man dadurch diese erbärmliche Brut von Schlangensöhnen ausrotten. Wobei diese nicht minder erbärmlich sind! Hier wie dort gibt es zu viele Deserteure! Pah! Ihr widert mich an.«
    Bedrohlich ließ er das Schwert kreisen.
    »Bring es zu Ende!«, zischte Caspar und sah ihn herausfordernd an. Was immer ihm Cara einst genommen haben mochte – den Stolz, seinem Tod aufrecht entgegenzutreten, hatte sie ihm nicht ausgetrieben.
    Saraqujal umkrampfte den Griff des Schwertes, hob es hoch, schien es niedersausen lassen zu wollen. Doch anstatt mit aller Gewalt zuzuschlagen, ließ er das Schwert ganz langsam sinken und hielt kurz vor Caspars Gesicht inne.
    »Nicht nur, dass ihr keine Lust zum Kämpfen habt«, klagte er. »Ihr habt auch keine Geduld. Immer wollt ihr alles haben, immer sofort – und sei es euren eigenen Tod. Aber wenn man so alt ist wie ich, wenn man nicht nur all diese Menschen kommen und gehen gesehen hat, sondern auch so viele Nephilim sterben – dann lernt man eines: zu warten. Rache genießt man wie eine kostbare Delikatesse. Man würgt sie nicht einfach so herunter, nur um seinen Hunger zu stillen.«
    Er trat zurück und steckte das Schwert in die Scheide.
    Caspar rappelte sich auf. Sein Blick flackerte, seine Haare standen wirr nach allen Richtungen ab. Auch wenn er eben noch so getan hatte, als sei es ihm egal zu sterben, ja, als wünsche er es sich sogar, wirkte er jetzt doch erleichtert.
    »Warum nur?«, stammelte ich heiser. »Warum ausgerechnet Nathan?«
    Gelangweilt streifte mich Saraqujals Blick, ehe er sich erst auf Caspar, dann auf Nathan richtete. Er antwortete nicht, erklärte stattdessen: »Auch das lernt man, wenn man so alt ist wie ich – dass sich Gesetzmäßigkeiten, denen unser Leben unterworfen ist, nicht einfach ändern, nur weil man es laut fordert. Was aber tut die Jugend, anstatt sich von uns belehren zu lassen? Glaubt doch tatsächlich, man könnte Pflichten abschütteln wie ein Hund kaltes Wasser!«
    Ich versteifte mich, als er einen Schritt auf uns zumachte.
    »Du hast eine Tochter, wie es kaum eine zweite gibt, Nathan, und erweckst nicht die Nephila in ihr. Du lebst mit einer Auserwählten, aber zeugst mit ihr keine weiteren Kinder. Vor allem kämpfst du nicht, sondern verkriechst dich wie eine Maus im Loch. Als sei es unsere Wahl, ob wir die Schlangensöhne zu vernichten haben oder nicht. Als sei das eine Sache, die man nach Lust und Laune entscheidet.«
    Caspar strich sich sein Haar zurück und klopfte sich vermeintlich gemächlich den Staub von seinem Mantel. »Wenn du die Schlangensöhne vernichten musst, warum lässt du mich dann leben?«, warf er ein. »Hat es vielleicht damit zu tun, dass du es selbst mit deinen Pflichten nicht so genau nimmst? Deiner Pflicht, dich den Beschlüssen des Ältestenrats zu

Weitere Kostenlose Bücher