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Der Fluch der Abendröte. Roman

Der Fluch der Abendröte. Roman

Titel: Der Fluch der Abendröte. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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Rache … oder vielmehr um Strafe. Eine gerechte Strafe. Ich bin ja kein Unmensch.« Er lachte über sein Wortspiel.
    »Wir hätten es alle längst hinter uns haben können«, fuhr er fort. »Als ich vom Ältestenrat eine Strafe für ungehorsame Nephilim einforderte, wollte ich es den anderen überlassen, die Art der Bestrafung festzulegen. Aber mein Bruder Sartael wollte nicht darauf eingehen. Er wiederholte so oft, dass ein Soldat, der nicht freiwillig in den Krieg marschiert, nichts taugt, bis er die anderen schließlich davon überzeugt hatte.« Er schüttelte den Kopf. »Und nun, wo ich alles selber machen muss, treffe ich auch bezüglich der Strafe ganz allein die Entscheidung.«
    Ich spürte, wie ein Ruck durch Nathans Körper ging. »Du hättest mich schon längst töten können. Ich habe doch alles getan, was du wolltest! Ich habe mich dir ausgeliefert!«
    Und du hast diesen Brief an mich geschrieben, setzte ich im Stillen hinzu und begriff erstmals, warum er sich dafür entschieden hatte. Um mich aus Saraqujals Nähe zu vertreiben, hätte es nicht genügt, mir nur Angst zu machen. Er hatte dafür sorgen müssen, dass ich auf ihn zornig wurde, von ihm enttäuscht war – und das konnte er am besten erreichen, indem er sich genauso verhielt wie damals vor zwölf Jahren.
    »Warum … warum hast du jetzt auch noch Sophie hierhergelockt?«
    Saraqujal grinste breit. »Genau betrachtet, habe nicht ich Sophie, sondern Sophie hat Caspar hierhergelockt. Denn nur darum ging es. Wer sonst, wenn nicht sie, hätte seine Lebensgeister wecken können? Zu diesem Zweck musste sie verzweifelt sein, sehr verzweifelt … was wiederum nur zu erreichen war, indem ihre Tochter spurlos verschwand.«
    Während er sprach, hatte er wieder das Schwert erhoben, jedoch nicht, um es erneut drohend durch die Luft zu schwingen, sondern um es mit einer unterwürfigen Bewegung Caspar zu überreichen.
    »Warum … ausgerechnet er?«, brachte ich stammelnd hervor.
    Saraqujal starrte mich eine Weile an, als würde er nicht recht verstehen, was mich so verwirrte. Dann riss er die Augen auf, so als habe er eine plötzliche Eingebung.
    »Ach, du willst wissen, warum ich mir nicht selbst die Hände schmutzig mache?«, fragte er mit einer so nachsichtigen Stimme, als spräche er mit einem kleinen Kind. »Ich fürchte, dann würde mich der Ältestenrat nie wieder aufnehmen. Doch dass Caspar Nathan getötet hat – das wird jeder, der davon hört, auch mein lieber, guter Bruder Sartael, sofort glauben. Schließlich hassen sich die beiden schon seit Jahrhunderten. Nicht der kleinste Verdacht wird auf mich fallen. Caspar scheint zwar kurzfristig vergessen zu haben, wie tief sein Hass sitzt, aber schließlich hast du ihm«, er nickte mir aufmunternd zu, »seine Gleichgültigkeit gekonnt ausgetrieben. Mein Kompliment, keine hätte das besser zustande gebracht als du.«
    Er wurde wieder ernst, wandte sich an Caspar, drückte ihm das Schwert nun entschieden in die Hand.
    »Ja, du bist ein verhasster Schlangensohn, aber ungemein nützlich. Weil ihr seit Urzeiten miteinander verfeindet seid. Weil du ihn hasst. Weil du ihn nun endgültig besiegen und dich dafür rächen kannst, dass er einst deine Frau Serafina getötet hat. Und ich ermögliche dir noch mehr: Du kannst nun Sophie haben … als Ersatz für Serafina und weil du sie ja nicht minder geliebt hast … Und nicht nur Sophie kannst du haben, sondern auch Aurora.«
     
    Nathan ließ meine Hand los. Ich wollte es nicht zulassen, klammerte mich an ihn, presste meinen Körper, so gut es trotz der Ketten möglich war, an seinen. Er schüttelte nur den Kopf.
    »Sophie … bring dich in Sicherheit!«
    Wir sahen uns an, und in unseren Blicken lag alles, was wir uns nicht sagen, vielleicht nie mehr sagen konnten.
    Sein Blick sagte, dass er mich liebte. Dass er mir vertraute. Dass er keinen anderen Ausweg gesehen hatte, als diesen Brief zu schreiben – weil er dachte, dass Ärger und Wut es für mich leichter machen würden, Hallstatt zu verlassen.
    Und mein Blick sagte, dass es mir so unendlich leidtat, auch nur einen Augenblick lang gezweifelt zu haben – nicht nur an ihm, sondern auch an unserem gemeinsamen Glück. Dass ich mich kurz nach einem normalen Mann wie Lukas gesehnt hatte, an dessen Seite ich davor gefeit gewesen wäre, in diesen uralten Kampf zwischen Gut und Böse zu geraten.
    Aber das war nicht mein Weg, das wusste ich jetzt, das würde nie mein Weg sein. Nathan war meine Liebe. Nathan

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