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Der Fluch der Abendröte. Roman

Der Fluch der Abendröte. Roman

Titel: Der Fluch der Abendröte. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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Augenblick so … kalt. Dieses Leuchten, von dem ich nicht einmal sicher war, ob auch Lukas und Mia es bemerken würden, erinnerte mich plötzlich an den Schatten, den ich vorhin hinter ihr wahrgenommen hatte: Er schien sie einzuhüllen, ganz und gar von ihr Besitz zu ergreifen, sie mir zu rauben. Kurz war ich sicher – wenn ich die Hand heben würde, um sie zu berühren, würde ich nur Kälte spüren … und einen schmerzhaften Stromschlag erhalten.
    Nur mühsam gelang es mir, einen entsetzten Aufschrei zu unterdrücken.
    Mia hingegen verdrehte entnervt die Augen und stöhnte laut.
    »Aurora ist so eine Streberin!«, rief sie aus. »Ich kann mir das unmöglich merken, aber sie weiß immer alles ganz genau. Ich finde das irgendwie langweilig – nicht den Bergbau an sich, aber seine Geschichte.«
    Kurz schien Aurora auffahren zu wollen, um sich gegen den Begriff Streberin zu wehren. Doch stattdessen blieb sie starr sitzen und fuhr ernsthaft, nahezu dozierend und mit weiterhin durchdringend blauen Augen fort: »Genau betrachtet beginnt die Geschichte des Bergbaus im Paläozoikum – als sozusagen das Salz in den Berg kam. Wobei es damals noch keine Berge gab, lediglich Lagunen, die durch Verdunstung Salz ausschieden. Erst später entstanden dann die Gesteinsschichten, die dieses Salz nach und nach unter sich begruben.«
    Wieder verdrehte Mia die Augen. »Genau das meine ich! Sie weiß immer alles
ganz
genau.«
    »Sonst bist du aber nicht so fleißig«, warf ich leise ein und merkte, wie meine Stimme zitterte. Niemand sagte etwas dazu. Ich sah wieder zu Nathan herüber, und diesmal wich er meinem Blick nicht aus. Er war deutlich blasser geworden, seine Lippen hatte er aufeinandergepresst. Den ganzen Tag über hatte er versucht, mir meine Sorgen und Ängste auszureden – doch nun erkannte ich, dass er sie teilte, dass er sich Auroras merkwürdigem Verhalten gegenüber nicht länger blind stellen konnte.
    Sie weiß viel. Sie weiß
zu
viel, sagte mir sein Blick. Und auch, dass das nicht normal war.
    Er stellte sein Wasserglas ab und legte seine Hand beschwichtigend auf meine – ein Zeichen, dass jetzt der falsche Zeitpunkt war, sich dieser Tatsache zu stellen und in Panik zu verfallen. Solange unsere Gäste da waren, mussten wir uns zusammenreißen – und diesen Gästen schien glücklicherweise unsere Anspannung entgangen zu sein.
    »Auf jeden Fall könnte mit der Salzmenge, die in einer Stunde aus dem Hallstätter Salzberg geholt wird, eine Kleinstadt ein Jahr lang den gesamten Salzbedarf decken«, griff Lukas das Wort auf, und diesmal war es nicht Aurora, sondern Mia, die altklug ergänzte: »Die Verwendung von Salz bietet so viele Möglichkeiten: Kerzen tropfen zum Beispiel viel weniger, wenn man sie vor dem Gebrauch in Salzwasser legt. Oder wenn man vor dem Braten etwas Salz in die Pfanne gibt – dann gibt es keine Fettspritzer.«
    »Und Salz kann Eier zum Schwimmen bringen!«, rief Lukas augenzwinkernd.
    »Wie denn das?«, rief Aurora und klang nun wieder kindlich aufgeregt. Sie beugte sich vor, und im Licht der Lampe wirkte ihr Gesicht nicht mehr so bleich und die Augen nicht mehr so blau. Das nahm mir meine Ängste zwar keineswegs – aber gab mir die Kraft, ruhig sitzen zu bleiben und sogar zu lächeln, als Lukas erklärte: »Das ist ganz einfach. Man muss ein rohes Ei in ein Glas legen und es mit Wasser füllen, bis das Ei bedeckt ist. Das Ei sinkt sofort zu Boden. Und nun muss man einfach ein bisschen Salz ins Wasser geben, woraufhin sich das Ei erst auf die Spitze stellt, dann langsam zu schweben beginnt. Und wenn man noch mehr Salz hinzugibt, steigt das Ei endgültig in die Höhe. Sobald man Wasser nachgießt, sinkt es wieder.«
    Er hatte seinen Satz kaum beendet, da waren Mia und Aurora schon aufgesprungen und riefen wie aus einem Mund: »Das wollen wir sehen!«
    Lukas warf mir einen fast entschuldigenden Blick zu, und ich stimmte rasch zu, ihm nicht nur die Küche, sondern auch Eier und Salzwasser zu überlassen, damit er das Experiment vorführen konnte – insgeheim erleichtert, dass die Mädchen in die Küche stürzten, Lukas ihnen etwas langsamer folgte und ich nicht länger die Fassade aufrechterhalten musste.
    Das Lächeln schwand von meinen Lippen, schwer stützte ich den Kopf auf meine Hände.
    »Nathan …«, stammelte ich hilflos, »Nathan …«
    Er legte seine Hand auf meine Schultern und zog mich an sich. Er sagte nichts – und das war noch schwerer zu ertragen als sämtliche Worte,

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