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Der Fluch der Abendröte. Roman

Der Fluch der Abendröte. Roman

Titel: Der Fluch der Abendröte. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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und polternd zu Boden gefallen war. Ich achtete nicht darauf.
    »Was gibt es nüchtern zu überlegen?«, rief ich. »Wir sehen beide, dass sie sich verändert! Es geht nicht nur darum, dass sie so viel weiß. Es geht vor allem darum,
wie
sie es gesagt hat!«
    Nathan bückte sich, um den Stuhl wieder aufzustellen. Als er sich abwandte, veränderte sich die Miene seines Gesichts schlagartig, wurde wieder düster, sorgenvoll, vor allem aber traurig.
    »Vielleicht habe ich nicht ausreichend darauf geachtet, mich von ihr zu distanzieren …« Er unterdrückte ein Seufzen.
    Ich wusste, wie schwer es ihm gefallen war, stets eine gewisse Distanz zu Aurora zu wahren. Wir lebten zusammen, und sie hatte ihn als Vater akzeptiert, aber er mied es, mit ihr allein zu sein oder sie zu berühren. Viel zu groß war seine Angst, dadurch ihr Erbe zu wecken. Nun wirkte er nicht einfach nur verzweifelt, sondern … schuldbewusst, und das Bedürfnis, ihn zu trösten, überwog kurz meine Angst. Ich trat zu ihm, umfasste seine Schultern.
    »Du hast nichts falsch gemacht«, beschwor ich ihn. »Da bin ich mir sicher! Du lebst seit fünf Jahren an ihrer Seite, und in all der Zeit ist ihr Erbe nicht erwacht. Irgendetwas … irgendjemand …«
    Ich geriet ins Stocken, verstummte schließlich.
    Irgendetwas hatte sich verändert. Irgendjemand nahm Einfluss auf mein Kind. Und wenn es auch nicht Caspar war, dann ein anderer Nephil … vielleicht ein anderer Schlangensohn …
    Ich schüttelte den Kopf, versuchte mir einmal mehr einzureden, dass das unmöglich war, und konnte dennoch nicht aufhören, mir das Schrecklichste vorzustellen: Bis zu ihrem vierzehnten Lebensjahr bestand nämlich nicht nur die Gefahr, dass in Aurora das Nephilim-Erbe erwachen und sie sich endgültig zu einem unsterblichen Wesen wandeln konnte, sondern vor allem, dass man sie in dieser labilen Phase auf die andere Seite ziehen konnte. Es war möglich, ein Kind der Wächter zu einem Kind der Schlangensöhne zu machen – und umgekehrt.
    Nathan löste sich von mir, ging zum Telefon und wählte erneut Caras Nummer. Wieder war nur das Tuten zu hören, nicht ihre Stimme … die Stimme, mit der sie früher immer Aurora und mich hatte beruhigen können.
    Nathan legte den Hörer auf, setzte sich auf das Sofa und verbarg sein Gesicht in den Händen.
    »Wir haben uns zu sicher gefühlt«, stieß er aus.
    Genau diesen Verdacht hatte ich auch, aber seine Stimme klang so trostlos, dass ich widersprechen musste.
    »Warum auch nicht?«, rief ich.
    Er schüttelte den Kopf. »Vielleicht war Aurora tatsächlich ein normales Kind, aber die Nephila, die in ihr schlummert, war es nie. Sie hat von Natur aus Gaben mitbekommen, die andere sich erst mühsam erkämpfen müssen.«
    All die Jahre hatte ich jede Erinnerung daran verdrängt, aber nun stand mir die Aurora von damals wieder ganz deutlich vor Augen: Aurora, die fremde Sprachen beherrschte, die Gedanken lesen konnte, die wilde Tiere besänftigte, die Cello spielte. Und noch etwas anderes kam mir in den Sinn: Nathans Worte, als er mir von den ganz wenigen Nephilim erzählte, die nicht nur telepathische, sondern telekinetische Fähigkeiten hatten und die die Zukunft vorhersagen konnten.
    Die Tribüne, ging es mir durch den Kopf, sie hat wenige Minuten, bevor es geschah, gewusst, dass die Tribüne einstürzen würde.
    Wieder stieg Panik in mir auf, aber sie fühlte sich anders an als bisher. Eben noch hatte mein Herz unruhig geschlagen, jetzt schien es immer schleppender zu pochen, langsam zu erstarren, so wie alles andere auch. Meine Kehle wurde plötzlich so eng, meine Glieder so schwer. Es war, als hätte sich ein schwarzes, kaltes Tuch aus Furcht und Sorge über mich gelegt – und ich war machtlos, es von mir zu ziehen, musste ertragen, dass es sich immer fester um mich legte. Wieder fühlte ich mich kurz wie in einem der Träume … hilflos, ausgeliefert, gefangen, allein.
    Doch dann sah ich, dass Nathans Gesicht noch blasser wurde, die ansonsten so durchdringend blauen Augen irgendwie grau – und die Angst um ihn ließ mich die Starre überwinden, die verzweifelte Liebe, die ich für ihn fühlte, die Panik bezwingen.
    Als er ein drittes Mal zum Telefonhörer greifen wollte, um Cara anzurufen, hielt ich ihn davon ab, indem ich meine Hand auf seine legte.
    »Es hat keinen Sinn«, erklärte ich mit fester Stimme. »Wir können Cara heute nicht mehr erreichen. Und wir können auch sonst nichts tun. Wir können nur warten und versuchen,

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