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Der Fluch der Abendröte. Roman

Der Fluch der Abendröte. Roman

Titel: Der Fluch der Abendröte. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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wüteten, standhalten und wie sie sie lenken konnte. Josephine wiederum war eine Unauffällige gewesen, die lange verheimlichen konnte, dass auch sie zu den Nephilim gehörte – und die sie, Aurora, am Ende doch überlistet hatte. Und Caspar … Caspar von Kranichstein … Er hatte sie für sich haben, sie zu seinem Kind machen wollen, aber am Ende nicht bekommen. Sie war in einen Kampf geraten, den uralten Kampf zwischen Wächtern und Schlangensöhnen. Und sie selbst hatte verhindert, dass Caspar ihren Vater getötet hatte. In der Stunde der Morgenröte hatte sie ihn bezwungen – nur kraft ihres Blicks und kraft ihrer Stimme.
    Nun hatte sie keine Stimme, um zu schreien, nun war ihr Blick nicht auf Caspar, sondern nach innen gerichtet, wo weitere Bilder aufstiegen, noch brutaler als Peitschenschläge, Schwerthieben gleich, Bilder von ihr selbst, wie sie in fremden Sprachen gesprochen, einen wilden Hund besänftigt und Cello gespielt hatte, aber auch Bilder von Menschen, die ihr fremd waren, von früheren Leben, die andere geführt hatten. Ihre Großeltern … ihre Urgroßeltern … sie zogen an ihr vorbei, blickten sie an, neugierig, aufmunternd und auch mahnend. Die Kulissen, vor denen sich die Ahnen bewegten, glichen einander nicht. Aus allen Ländern der Welt stammten sie, aus allen Epochen. Doch so unterschiedlich ihre Leben auch waren – eines begleitete sie alle: der Klang von aufeinanderschlagenden Schwertern. Schwertern, mit denen die Nephilim seit ewigen Zeiten gegeneinander kämpften. Wächter gegen Schlangensöhne. Grigori gegen Awwim. Die einen wollten die Menschheit schützen, die anderen sie unterwerfen. Die einen sahen sich als Missgriff der Natur, der aus der Welt verbannt werden musste, die anderen verstanden sich als Krönung der Schöpfung.
    Die Gesichter ihrer Ahnen verflüchtigten sich in der Dunkelheit, die Wahrheit über sie selbst blieb gestochen scharf.
    Ich bin eine Nephila. Eine außergewöhnliche Nephila. Ich verfüge über Macht, über viel Macht.
    Die letzten Worte, die dieses fremde Wesen ihr zuraunte, klangen lächerlich. Sie verfügte doch über keine Macht! Sie hatte sich noch nie so machtlos gefühlt wie jetzt, wo sie doch nicht einmal ihre Glieder beherrschen konnte – selbständig machten sich diese vielmehr, führten einen grotesken Tanz auf. Ihre Hände und Beine wurden auf so unnatürliche Weise nach hinten gezerrt, dass bei jedem anderen Menschen die Knochen brechen, die Sehnen reißen, die Muskeln zerfetzt würden. Bei ihr hingegen geschah nichts dergleichen. Während sie sich wand und wälzte und verkrampfte, schlug ihr Kopf immer wieder auf dem harten Boden auf, aber nicht einmal die Wunde riss wieder auf.
    Ich bin eine Nephila, eine überaus mächtige, überaus begabte Nephila.
    Ihr Herz hatte eben noch bis zum Hals geschlagen, nun zog es sich in ihrer Brust zusammen. Alles zog sich zusammen. Ihr Körper schien nicht länger aus Fleisch und Blut zu bestehen, sondern aus Stein.
    »Aurora!«
    Das dünne Stimmchen drang zwar zu ihr durch, aber sie konnte nicht darauf reagieren. Ihr fiel wieder ein, dass sie vorhin eine zweite Gefangene wahrgenommen hatte, und sie wusste nun auch, dass es Mia war, ihre Freundin, die wie sie entführt worden war und die nun nicht verstand, warum sie sich verkrampfte und wälzte und zu ersticken schien – aber sie konnte ihr nicht antworten, konnte auch nicht verhindern, dass sie von dieser Macht wie von unsichtbaren Riesenhänden quer durch das Gefängnis geschleudert wurde.
    Nein, sie konnte nur denken:
    Ich bin Aurora Grigori. Ich bin eine Nephila, eine überaus begabte, außergewöhnlich mächtige Nephila.
    Wir saßen im Wohnzimmer und warteten. Das hieß, ich wartete eigentlich nicht, sondern lediglich Lukas, der fest davon überzeugt war, dass die Entführer bald Geld fordern würden. Er sprach es nicht aus, aber er schien sich sicher zu sein, dass der unbekannte Verbrecher es nicht zuletzt auf mein Geld abgesehen hatte, dank des Erbes meines Vaters war ich um einiges wohlhabender als er.
    Mia war bei der Entführung seiner Meinung nach nur zufällig dabei gewesen.
    Ich widersprach nicht, denn es hätte etliche weitere Erklärungen erfordert, und ich wollte Lukas auch nicht die Hoffnung auf einen erlösenden Anruf nehmen. Und wer immer die Mädchen entführt hatte – vielleicht war er ja nicht ganz so herzlos und ließ wenigstens Mia frei.
    Ich war erleichtert, Lukas’ Blicken ausweichen zu können, indem ich notdürftig seine

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