Der Fluch Der Bösen Tat
hellgrünen gefiederten Wedel ab. Das Fitzroy-Denkmal, wie es in der Broschüre über die Geschichte der Gemeindekirche genannt wurde, vermittelte den Eindruck, in seinen Tagen ein kostspieliges Stück Bildhauerei gewesen zu sein. Die Broschüre erzählte jedoch die Geschichte, dass der Künstler finanziell in der Klemme gesteckt und mehr oder weniger für ein Butterbrot gearbeitet hatte. Er war Italiener gewesen und in der Hoffnung auf Aufträge wohlhabender Mäzene nach England gekommen. Doch die einzigen Aufträge waren Nymphen und Satyrn für Landschaftsgärten gewesen, als er, nahezu beiläufig, gefragt wurde, ob er nicht einen geeigneten Gedenkstein für einen Gentleman anfertigen könne. Nichtsdestotrotz war das Resultat heute eine der Touristenattraktionen der Gemeindekirche von Lower Stovey, sofern sie überhaupt welche besaß. Architektonisch unterschied sie sich in nichts von einer Vielzahl anderer gleich großer Kirchen des Spätmittelalters. Sie hatte ihre originalen Bleiglasfenster verloren, als Cromwells Soldaten sie in puritanischer Ereiferung herausgeschlagen hatten. Die Soldaten hatten die Statuen der Heiligen aus den Nischen in der Fassade gerissen und zerschlagen. Nur eine einzige war übrig geblieben, weil sie sie nicht erreichen konnten, die Statue eines unbekannten Bischofs hoch oben auf der Westseite, sicher vor allem außer den Dohlen. Die Viktorianer mit ihrer eigenen Abart von frommem Rowdytum hatten die Kanzel umgebaut, den Taufstein aus dem vierzehnten Jahrhundert entfernt und durch eine Version im gotischen Stil ersetzt, angefertigt von einem Anhänger Pugins. Sie hatten auch die geschlossenen Chorstühle aus dem achtzehnten Jahrhundert herausgerissen und durch Eichenbänke ersetzt, die heutzutage an einem guten Sonntag – bestenfalls – von einer Versammlung aus fünfzehn Seelen benutzt wurden. Die Dorfbewohner, sowohl die einheimischen als auch die hinzugezogenen, waren nicht religiös, und die Wochenendbesucher und Wochenendhausbesitzer verbrachten ihre freien Sonntagmorgen damit, die ländliche Atmosphäre im Dorfpub einzusaugen, und die Nachmittage, um sich auf ihre Rückfahrt nach London vorzubereiten. Angesichts dieser Umstände war ein eigener Priester für Lower Stovey nicht länger gerechtfertigt, nicht einmal ein wöchentlicher Gottesdienst. Wer auch immer gerade von einer der anderen Gemeinden in der Gegend entbehrlich war, kam in monatlichem Wechsel hierher, um die Messe zu lesen, auch wenn die Kirchengemeinde rein technisch der Obhut von Pater Holland in Bamford anvertraut war. Doch die Kirche verfügte über ein paar interessante Details, und Ruth, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, sie von Zeit zu Zeit abzustauben, kannte sie in- und auswendig. Das Fitzroy-Denkmal zeigte das perückenbesetzte Marmorprofil des Verstorbenen, gehalten von zwei Cherubim. Der Bildhauer hatte sich für eine Ansicht von der Seite entschieden, offensichtlich, um das meiste aus den charakteristischen Gesichtszügen des Toten zu holen. Er hatte in seiner Zeit wahrscheinlich als attraktiver Mann gegolten mit seinem schmalen Gesicht, der Adlernase und den tief liegenden Augen. Unter der Skulptur war eine Inschrift, die seine Tugenden listete, von denen es zahlreiche gegeben hatte, seine Errungenschaften, die bemerkenswert gewesen waren, seine Studien, die umfassend gewesen waren, und seine pflichterfüllte Sorge für den Neffen, der sein Vermögen geerbt hatte. Zur Linken der Inschrift war die Gestalt des teilweise verschleierten Sensenmannes abgebildet. Er lehnte auf seiner Sense, das linke Skelettbein gestreckt, das rechte nonchalant vorgestellt und auf den knöchernen Zehenspitzen ruhend. Er hatte die Ausstrahlung von jemandem, der zufrieden mit seiner Arbeit ist. Zur Rechten der Inschrift und völlig in Schleier gehüllt stand eine trauernde weibliche Gestalt in der klassischen Kleidung und zeigte mit einem Finger auf das Porträt, damit kein Betrachter die Botschaft übersehen konnte, trotz allem anderen. Ruth mochte das Fitzroy-Denkmal im Grunde genommen nicht. Es war in ihren Augen selbstgefällig und makaber zugleich. Sie bezweifelte, dass Sir Rufus der Ausbund an Tugend gewesen war, als der er dargestellt wurde, und sie hatte ihre Zweifel, was die Motive des Neffen anging, dieses Ding in Auftrag zu geben. Ruth selbst war eine kleinwüchsige Frau mit einer vorwitzigen Nase und weit auseinander stehenden grünen Augen. Ihre blonden Haare waren von grauen Strähnen durchsetzt, doch weil
Weitere Kostenlose Bücher