Der Fluch Der Bösen Tat
Staubsauger aus dem Wagen, um ihn wie einen einsamen Wächter auf dem Weg stehen zu lassen, während sie den Wagen in die Garage steuerte. Sie wollte ihn nach drinnen tragen, doch irgendwie ließ sie ihn einmal mehr auf der Zufahrt stehen, nachdem sie das Garagentor geschlossen und den schweren Staubsauger bis zur Haustür geschleppt hatte. Sie ging zum Ende ihres kleinen ordentlichen Gartens und starrte über die Hecke auf die fernen Stovey Woods. Das tat sie häufig. Der Wald übte eine grausige Faszination auf sie aus. Sie spürte seine Anziehungskraft. An regnerischen Tagen wie diesem schien er noch näher zu sein. Die dunkle Masse ruhte in einer Vertiefung in der Landschaft. Wie ein Sumpf, dachte Ruth, in den sich alles Böse, alles Widerwärtige und alles Schändliche ergossen hat. Der Boden unter ihren Füßen war durchweicht, und die Grasspitzen zeichneten nasse Spuren entlang ihrer Knöchel. Alles sah aus wie frisch gewaschen, und nach der kürzlichen erstickenden Hitze herrschte angenehme Kühle. Es roch auch anders. Nach feuchter Erde. Altem Laub. Friedhofsgeruch. Geruch nach Gräbern.
»Ruth? Was machst du?« Sie zuckte zusammen beim Klang der Stimme und wandte sich schuldbewusst um. Offensichtlich hatte sich heute jeder vorgenommen, aus dem Grün zu springen und sie zu erschrecken. Hester war auf der anderen Seite einer Ligusterhecke aufgetaucht, wo sie ungesehen gearbeitet hatte. Sie hatte die Arme voll mit Rhabarber, dessen große Blätter und dunkelrote Stangen wie ein grotesker Blumenstrauß aussahen.
»Ich hab ihn geerntet, weil er so groß geworden ist. Nach all dem Regen haben wir morgen schon wieder neuen. Ich hatte überlegt, ob ich nicht Rhabarber-Ingwer-Marmelade machen soll. Nicht mit diesem hier, damit mache ich einen Pudding.« Ruth war erleichtert, das zu hören. Sie hatten mehr Marmelade aller möglicher Sorten, als sie jemals essen konnten. Marmelade einzukochen war eines von den Dingen, die Hester tat, um ihre Dankbarkeit dafür zu zeigen, dass sie bei Ruth wohnen durfte. Die beiden Frauen waren schon sehr lange befreundet. Sie waren als junge Mädchen gemeinsam zur Universität gegangen, hatten nächtelang wach gesessen, um über obskure Autoren zu diskutieren, den neuesten Tratsch ausgetauscht und gewaltige Zukunftspläne geschmiedet. Und hier sind wir gelandet, dachte Ruth. Wir beide, hier draußen am Ende der Welt, unsere Laufbahn als Lehrerinnen hinter uns und vor uns – was? Ja, was? Bevor Billy Twelvetrees mit seinen beunruhigenden Neuigkeiten eingetroffen war, hätte Ruth noch gesagt, dass nichts vor ihnen lag außer einem langweiligen Rentnerdasein. Die Tage hatten hin und wieder Belebung erfahren durch eine Fahrt nach Oxford um der alten Zeiten willen oder nach Cheltenham zu den National Hunt Racing Fixtures. Sie waren bescheidene Spielerinnen, die eher gelegentlich als regelmäßig wetteten, doch sie sahen sich gerne Pferde an und mischten sich in die Besuchermengen aus Irland, die jedes Jahr das Frühlingsfestival überschwemmten. Die allgegenwärtige Aufregung wirkte ansteckend. Nach London fuhren sie nur selten. Die Straßen der Riesenstadt waren verstopft mit Verkehr, überall stank es nach Abgasen, die Bürgersteige waren bevölkert mit eiligen Menschen, blass in den Gesichtern, Leere in den Augen und Stress im Verhalten. Die Freude, die die Menschen beim Pferderennen ausstrahlten, schien völlig zu fehlen. Wenn die Londoner überhaupt irgendetwas merkten, dann den geflügelten Streitwagen der Zeit. Hester und Ruth hingegen hatten ein Stadium im Leben erreicht, wo die Zeit nicht länger ihr Meister war. Sie hatten nicht immer zusammengewohnt, doch sie waren während all der Jahre im Berufsleben stets in Kontakt geblieben. Hester hatte nie geheiratet. Ruth hatte erst sehr spät geheiratet. Es war der Tod von Ruths Ehemann gewesen, der Hester nach Lower Stovey geführt hatte, zuerst nur für ein paar Wochen, um Ruth Gesellschaft zu leisten. Es war während eines Sommers gewesen. Hester hatte damals noch unterrichtet, und es waren Schulferien gewesen, doch sie sehnte sich nach einer vorzeitigen Pensionierung. Sie hatte genug. Irgendwie waren die Frauen schließlich darin übereingekommen, dass Hester ihre Pensionierung beantragen würde, sobald sie wieder zurück an der Schule war, und dass sie am Ende des folgenden Schuljahres für unbegrenzte Zeit nach Lower Stovey zurückkehren würde, bis sie wieder zu Kräften gekommen war und sich gesammelt hatte. Aus diesem
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