Der Fluch Der Bösen Tat
einem Dickicht von Blättern hervorspähte.
»Einige Menschen denken, er wäre ein keltischer Gott«, erklärte Ruth.
»Cernunnos. Mein Vater hat geglaubt, dass er einer noch älteren Tradition entstammt, noch älter als die Kelten. Vielleicht Jungsteinzeit. Es gibt eine andere Theorie, die ihn mit den Riten des Dionysos verbindet, eine Art westeuropäischer Version dieses Kults. Mein Vater hatte seine Zweifel diesbezüglich. Wie dem auch sei, die Wälder hier sind sehr alt. Mein Vater fand durch seine Forschungen heraus, dass sie schon immer ein heiliger Ort waren. Es gibt ein Erdwerk darin, größtenteils überwuchert, von dem mein Vater glaubt, dass es ein Opferplatz gewesen sein könnte. Wir haben jede Menge Schlusssteine und Säulenkapitelle in anderen Kirchen der Gegend, die belaubte Köpfe zeigen, wie mein Vater sie nannte, um sie vom echten Grünen Mann zu unterscheiden. Sie wurden zu einer recht verbreiteten Zierde, in vielen Fällen mehr ein modischer Schnickschnack als alles andere. Doch der ursprüngliche Grüne Mann, was auch immer er war, lebte im Unterbewusstsein der Leute weiter. Die Männer, die diese Kirche gebaut haben, glaubten fest an ihn, all die Maurer und Handwerker. Sie wussten, dass diese Kirche, die den neuen Glauben repräsentierte, eine Herausforderung war für den alten Glauben. Also setzten sie den Grünen Mann hier oben in die Wand, von wo aus er nach Stovey Woods hinausblickt, auf sein Reich. Im Innern der Kirche ist er im Grunde genommen ein Eindringling, der dort nichts zu suchen hat. Aber sobald wir in die Wälder gehen, sind wir die Eindringlinge.« Ruth bemerkte, dass die Besucherin sie ein wenig zweifelnd anstarrte, und sie stieß ein etwas gezwungenes Lachen aus.
»Tut mir Leid, wenn es Sie langweilt, aber es war ein spezielles Hobby meines Vaters, also wurde ich mit diesem Hintergrund aufgezogen. Ich glaube nicht daran, natürlich nicht. Es ist nur, dass die Stovey Woods einen gewissen Ruf haben. Im Verlauf der Jahre sind dort viele Dinge passiert, und die meisten waren alles andere als schön. Das ist der Grund, aus dem ich ein ungutes Gefühl bekam, als Old Billy mir erzählt hat, dass ein Streifenwagen zu den Stovey Woods unterwegs ist. Ich hoffe, es bedeutet nicht noch mehr Unheil.« Jetzt hatte sie die volle Aufmerksamkeit ihrer Besucherin, die aussah, als würde sie fragen, welche Art von Unheil. Ruth biss sich hastig auf die Zunge und wünschte, sie wäre nicht so geschwätzig gewesen. Was hatte sie dazu veranlasst, einfach draufloszuplappern und einer Fremden von den Wäldern zu erzählen? Der Grund, schätzte sie, war der, dass die Wälder immer irgendwo in ihren Gedanken lauerten. Sie waren Teil dieses Wirrwarrs aus unterdrückten Erinnerungen, die wie ein Fischmonster in einem See lauerten und zur Oberfläche kamen, wenn man am wenigsten damit rechnete. Doch sie hatte Glück. Ihre Begleiterin wurde abgelenkt, und anstatt die gefürchtete Frage zu stellen, deutete sie die nach Stovey Woods führende Straße hinauf.
»Der Streifenwagen kommt zurück«, sagte Meredith.
»Und der Wagen dahinter gehört meinem Freund. Das ist Alan.« Die beiden Frauen setzten sich in Richtung des Friedhofstors in Bewegung. Ruth bemühte sich, natürlich zu wirken, sich nicht zu beeilen und nicht zu erscheinen, als wäre sie neugierig auf irgendwelche Neuigkeiten. Ganz bestimmt keine schlechten Neuigkeiten, dachte sie verzweifelt. Das könnte ich nicht ertragen. Was soll ich tun, falls … Der Streifenwagen ratterte vorüber ohne anzuhalten. Hinten saß ein jüngerer Mann um die dreißig. Was hat er angestellt?, fragte sich Ruth. Der nachfolgende Wagen jedoch wurde langsamer und hielt beim Tor. Ein großer, dünner, blonder Mann in einem Pullover und Khakihosen stieg aus. Er kam ihnen lächelnd entgegen.
»Ruth, das hier ist Alan Markby«, sagte Meredith.
»Alan, das ist Mrs. Aston. Sie ist die Kirchenvorsteherin hier, und ihr Vater war der letzte Vikar der Gemeinde. Mrs. Aston ist im Vikariat aufgewachsen.« Ruth errötete unwillkürlich.
»Ich habe Meredith unsere Kirche gezeigt«, sagte sie.
»Ich fürchte, sie wird heutzutage nicht mehr sonderlich häufig genutzt.« Sie atmete tief durch. Er sah freundlich aus. Ein netter Mann. Er würde es ihr erzählen, oder nicht?
»Was ist denn passiert?«, fragte sie.
»Oben im Wald, meine ich?« Der Mann zuckte die Schultern, und eine blonde Locke fiel ihm in die Stirn. Er hatte, wie Ruth empfand, eine verblüffende Ähnlichkeit mit
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